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Wer liebt mich und wenn nicht warum

Wer liebt mich und wenn nicht warum

Titel: Wer liebt mich und wenn nicht warum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Andeck
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Wange streichelte.
    Und tatsächlich, er nahm mich sogar in den Arm. Aber leider streichelte er mir eine Gurkenscheibe von der Wange. Das ist irgendwie was anderes.
    Tom hat mich dann aus der Küche gezogen, wobei ich völlig hysterisch schnaubte und schluckte und schnorchelte. Er brachte mich in sein Zimmer und sagte, alles sei gut und mir sei nichts passiert und mir könne auch nichts passieren, denn Hornissenstiche seien harmloser als Bienenstiche und Hornissen seien sowieso nur aggressiv, wenn man ihrem Nest zu nahe käme und überhaupt wären in seinem Zimmer ja gar keine Hornissen, ich müsste also keine Angst mehr haben.
    Es half alles nichts. Ich flatterte und bibberte und zitterte, ich bekam meine Muskeln einfach nicht mehr unter Kontrolle. Ich hatte mich in dieser Küche voll von Hornissen so unglaublich allein gefühlt und ich hatte wirklich gedacht, dass die jetzt allesamt über mich herfallen würden.
    Tom brummte beruhigend und sagte, ich solle mich nicht aufregen, sondern einfach nur ausruhen und tiiiief atmen und dazu könne ich mich gern auf sein Bett legen, wenn ich wollte sogar die ganze Nacht, er könne ja am Strand schlafen. Ich legte mich auch gehorsam auf sein Bett und rollte mich zusammen, aber es half nichts, meine Zähne klapperten und meine Knie schlotterten und wenn ich die Augen schloss, sah ich wimmelnde schwarz-gelbe Insektenkörper vor mir, es kribbelte mich am ganzen Körper. Wenn ich versuchte, etwas zu sagen, kam nur ein Wimmern über meine Lippen. Das war richtig peinlich, aber es war so eine Art Körperreaktion, ich hatte keinen Einfluss darauf. Irgendwann hat Tom sich zu mir auf den Rand seines Bettes gesetzt. Später hat er sich neben mich gelegt und mitseiner Hand meine geballte Faust gestreichelt. Da wurde es besser. Ich konnte wieder ruhiger atmen. So lagen wir nebeneinander, bis mein Zittern aufhörte. Und dann bin ich ganz plötzlich eingeschlafen. Von jetzt auf gleich. Wie ausgeknipst. Als hätte etwas in meinem Körper beschlossen: Das reicht für heute.
    Als ich heute früh aufwachte, wusste ich erst mal gar nicht mehr, wo ich war. Das fiel mir aber schnell wieder ein, als ich mich umdrehte und Tom sah. Ich war wieder ganz ruhig und betrachtete sein Gesicht, seinen entspannten Mund, seine geschlossenen Augen. Und ich war froh, ihn zu sehen. Er schlug die Augen auf und sah mich an. Ich sah zurück. Das war okay so. Wir sprachen nichts, wir lächelten uns nicht an, wir sagten uns einfach mit den Augen hallo.
    In der Küche klapperte Geschirr.
    »Lil, wir dürfen nicht …«, sagte Tom leise.
    »Ich weiß«, flüsterte ich. »Aber wir haben ja auch gar nicht.«
    Er sah mich nur an.
    »Okay, bin schon weg.« Ich schob die Decke weg und erhob mich. An der Tür blieb ich aber noch einmal stehen und kam zurück.
    »Was ist?«, fragte Tom. Seine Augen waren noch schwärzer als sonst.
    Ich löste das Koru von meinem Hals, legte es in seine Hand und bog seine Finger darum.
    »Du musst es jetzt eine Weile tragen«, sagte ich. »Aber es gehört immer noch mir.«
    »Warum?« Ungläubig schüttelte er den Kopf.
    »Du trägst es so lange, bis, ach egal …« So leise ich konnte, huschte ich aus dem Zimmer.
    Bis zwischen uns alles wieder gut ist, wollte ich sagen, aber ich brachte die Wörter nicht über die Lippen.
    Tom und ich hatten uns nicht abgesprochen, aber wir haben beim Frühstück beide so getan, als ob nie etwas gewesen wäre. Die Fenster in der Küche standen weit offen, die Hornissen waren weg. Einziger Hinweis, das hier letzte Nacht was passiert war: Unterm Tisch lag eine matschige Gurkenscheibe. Harri hob sie mit spitzen Fingern auf und schnippte sie aus dem Fenster. »Achtung, unsere heutige Finnisch-Lektion«, dröhnte er gut gelaunt. »Suolakurkku – die Essiggurke.«
    14.00 Uhr   Nach dem Frühstück verteilte Tom die Post.
    Für mich war ein Brief von Paps dabei.

    »Liebes Lillykind«, stand da in seiner steilen Handschrift.
    Sofort hatte ich Heimweh nach ihm.
    »Hoffentlich hast du es schön auf deiner Insel«, schrieb er weiter. »Und hoffentlich hast du immer trockene Füße, damit du nicht krank wirst.«
    Ist ja nett! Paps will Mamas Stelle einnehmen und sich um mich kümmern. Aber in dem Job ist er noch ziemlich neu, das merkt man. Nasse Füße können vielleicht im Winter zu Gesundheitsproblemen führen, aber bei 32 Grad im Schatten eher nicht, Papilein. Hornissen sind da ein viel größeres Problem.
    »Mach dir keine Sorgen um uns, hier läuft alles

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