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Wer lügt, gewinnt

Wer lügt, gewinnt

Titel: Wer lügt, gewinnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrícia Melo
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was das Zeug hielt. Wir steckten unsere Köpfe in die Bücher, wie Würmer sich in Leichen graben, Christie, Sayers, Chandler, Hammett, Doyle, Hillerman, Block, Stout, Simenon, Marsh, Collins, Dickson, Carr, Westlake, Conrad, Rendell, Spillane, Dostojewski, Bentley, Dickens, Eco, Chesterton, Stocker, welcher Autor auch immer einem in den Sinn kommen mag, wir lasen ihn. Wir legten verschiedene Listen an, wie es in diesen amerikanischen Veröffentlichungen gemacht wird, ideale Orte, um eine Leiche zu verstecken, die beste Waffe, geeignete Plätze, um ein Verbrechen zu begehen, die Durchführbarkeit und die Art und Weise. Wir überlegten, ob wir einen Unfall vortäuschen und Ronald aus dem Zug werfen sollten wie in Doppelte Abfindung, unserem Lieblingsbuch. Wir dachten daran, ihn mit einem Kopfschuß zu töten und ihn im Kofferraum eines auf seinen Namen angemieteten Autos am Flughafen abzustellen, wie in Die Ehre der Prizzis, wir zogen alles in Betracht. In Wahrheit gibt es tausend Arten, einen Menschen zu töten, selbst wenn das Opfer alle Vorsicht walten läßt und zum Beispiel einen Vorkoster für sein Essen hat. Es heißt, Fernando de’ Medici habe seinen Bruder auf sehr erfinderische Weise umgebracht. Er benetzte nur die eine Seite eines kleinen Messers mit kurzer Klinge mit Gift, pflückte einen Pfirsich, schnitt die Frucht in der Mitte durch, gab die vergiftete Hälfte seinem Bruder und aß in aller Seelenruhe die andere Hälfte. Die Zeit, die wir damit verbrachten, in meinem Bett zu liegen und zu lesen, uns zu lieben, Ideen zu Papier zu bringen und über unsere literarischen Studien zu diskutieren, brachte uns absolut gar nichts. Wenn wir auf irgend etwas stießen, sagten wir begeistert, das kann nützlich sein, endlich ein gelungener Mord, doch auf den folgenden Seiten kamen wir wieder davon ab, wenn wir auf ein Detail stießen, das in unseren Plan einzufügen sehr schwierig, wenn nicht gar völlig unmöglich war.
    Das perfekte Verbrechen gibt es nicht. Es gibt keinen einzigen Kriminalroman, der tatsächlich ein perfektes Verbrechen zu bieten hätte. Es gibt kunstvolle, überaus originelle, geistreiche Verbrechen, und es gibt viel Dummheit um uns herum. Bei den Ermittlungen werden haufenweise Fehler begangen, aber damit darf man nicht rechnen, wenn man plant, jemanden zu töten, weil es ebenfalls, das muß man beachten, den Zufall gibt, es gibt intelligente Detektive, es gibt Zeugen, es gibt alles mögliche. Zu berücksichtigen ist der Ort, die Gelegenheit, das war das einzige, was die Bücher mich gelehrt haben. Man muß das Opfer in- und auswendig kennen und den Tatort ebenso. Man muß detailliert über alles Bescheid wissen, was dort passiert, welche Leute an diesem Ort verkehren.
    Über all das wurde eifrig diskutiert. Und so kam schließlich unser Plan zustande.

25
    Ich muß zugeben, daß ich noch nie ein besonders mutiger Kerl gewesen bin. Insofern war es normal, daß ich Angst verspürte, trotz Fúlvia Melissa an meiner Seite, die mich anspornte und mir Gründe lieferte, Ronald zu töten. So große Angst, daß ich nächtelang wach lag und über die Tat und ihre Folgen nachgrübelte, und wenn ich schlief, war es ein unruhiger Schlaf voller schrecklicher Albträume.
    Was mir in dieser so finsteren Zeit meines Lebens half, außer Fúlvia natürlich, war mein symbiotisches Vokabular. Wichtig zu erwähnen ist, daß ich, bis ich bei Universalis eingestellt wurde, niemals Selbsthilfebücher gelesen hatte, was nicht auf einem Vorurteil beruhte, sondern auf reinem Desinteresse an der Thematik.
    Doch eines Tages, ich war gerade in einer Verlagsbesprechung und diskutierte mit Laércio über das symbiotische Vokabular, da erschien ein Mann und bat darum, mit dem Autor von Lernen Sie sich selber lieben sprechen zu dürfen. Ich sagte, Jequitibá sei nicht da, und fragte ihn, worum es ginge. Der Mann antwortete: Ich möchte diesem Mann die Hände küssen, er hat mir das Leben gerettet, genau so, ich übertreibe nicht und lasse nichts weg. Und dann erzählte der Typ mir, wie Jequitibá ihm das Leben gerettet hatte. Er hatte kein Geld, um das Nötigste zu kaufen, sein Familienleben lief miserabel, mit dem Beruf war es noch schlimmer, und keiner, wirklich keiner, half ihm. Während die anderen im Leben vorankamen, ihnen Gefallen erwiesen und jede Art von Vergünstigungen zuteil wurden, bekam er nichts, nicht einmal das, was ihm zustand. Er war ein ruinierter Mann, voller Haß und Neid und unglücklich, der den anderen

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