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Wer mit Hunden schläft - Roman

Wer mit Hunden schläft - Roman

Titel: Wer mit Hunden schläft - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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ihren Glaskoben gesessen und haben auf die Frauen aufgepasst, so wie der Leitenbauer beim Ausmisten auf die Leitenbauerin aufgepasst hat. Die Schichtleiter hatten untereinander eine Wette laufen, wessen Schicht die meisten Frühstücksfleischaufstrichdosen und Frühstücksfleischaufstrichdosendeckel aus den Blechstanzmaschinen herausstanzen konnte. Aus diesem Grund haben die Frauen fast überhaupt keine Pausen gemacht. Haben während der Schicht nichts getrunken, um nicht aufs Klo gehen zu müssen, weil sonst wertvolle Zeit verloren gegangen wäre, in der sie weitere Frühstücksfleischaufstrichdosendeckel produzieren konnten. Das Harnverhalten der Frauen hat den Schichtleitern zu bis dato nicht da gewesenen Stückzahlen verholfen, für die sie von der Geschäftsführung schöne Prämien ausbezahlt bekamen. Die Frauen haben das Geld, das sie in ihrer Arbeit verdienten, dazu verwendet, die Haushaltskassa aufzubessern, die am Ende des Monats, wenn das Geld knapp geworden ist, von den Männern beim Dorfwirt versoffen wurde, weil sie die Schmach, dass ihre Frauen neben ihnen auch noch arbeiteten, nicht verkraften konnten, wie sie es ihm Rausch jedem erzählten, den sie kannten und am Ende des Abends vor lauter Wut dem Nächstbesten die Fresse blutig schlugen deswegen. »Dabei haben die Frauen nur deshalb in der Bude gearbeitet, weil ihre Männer das Geld beim Dorfwirt durchbrachten und sie gezwungen waren, in die Bude reinzugehen, um die Rechnungen bezahlen zu können. So war das, Kreisky, nicht wahr?« Die Mutter vom Norbert dagegen konnte ihr Geld sparen, weil sie keinen Mann hatte, der ihr das Geld wegsoff, und Miete für die Keusche brauchte sie keine zu zahlen, die zog ihr der Leitenbauer sowieso vom Lohn ab. Dass du das notwendig hast, hat der Leitenbauer zur Mutter oft gesagt, dass du in die Dosenbude reingehst, obwohl du gar nicht müsstest. Dich von den Schichtleitern schikanieren lässt und auch von den Weibern, die sich untereinander das Hackl ins Kreuz hauen und freiwillig in Windelhosen brunzen, nur um mehr Dosendeckel als du zu machen. Hast anscheinend zu wenig zu tun bei mir, hat er gesagt. Der Mutter war das aber immer egal, was die Bagage in der Bude oder der Leitenbauer über sie dachten, Hauptsache sie konnte sich das Geld sparen. DIE MÜSSEN ERST EINMAL DORT HINRIECHEN, WO ICH SCHON ÜBERALL GESCHISSEN HABE , hat die Mutter zum Norbert gesagt, wenn der Leitenbauer wieder einmal so gescheit dahergeredet hat. Das gesparte Geld wollte sie einmal dem Norbert geben, zur Unterstützung bei der Ausbildung zum Beispiel. Von diesem Geld hat der Norbert nie etwas gesehen, weil die Mutter es später für ihren eigenen Tod ausgegeben hat. KOSTET EINEN DER TOD , wie sie immer gesagt hat, normalerweise NUR DAS LEBEN , ist bei ihr das gesamte Ersparte fürs Sterben draufgegangen. Kam sie der eigene Tod quasi teuer zu stehen. »Der Tod und nicht ich hat das ganze Geld geerbt, Kreisky, so ist das gewesen. Wo es eigentlich mir zugestanden wäre, das Geld. Aber so ist das halt, es trifft immer die Falschen und die Richtigen schauen durch die Finger. Ein Leben lang. WO TAUBEN SIND, FLIEGEN TAUBEN ZU , hat die Mutter immer gesagt und recht hat sie gehabt, oder stimmt’s etwa nicht? Natürlich stimmt’s, Kreisky, natürlich stimmt’s, wirklich wahr«, sagt der Herr Norbert. DAS LETZTE HEMD HAT KEINE TASCHEN , hat die Mutter auch immer gesagt. Das war auch das Motto der alten Leitenbauerin, der Mutter vom Leitenbauer also. Trotzdem ist die auf ihrem Geld gesessen wie eine Henne auf ihren Eiern, weil dieses Geld ihr Begräbnisgeld war, ihr Totengeld, wie sie es nannte. Die alte Leitenbauerin hat sich ihr ganzes Leben nur auf den Tod gefreut und auf ein schönes Begräbnis für die Hinterbliebenen. Dieses Begräbnis wollte sie sich als Tote von oben anschauen. Dass sie in den Himmel kommt, dessen war sie sich sicher. Während sie die Kühe und die Ziegen gemolken, den Stall ausgemistet, die Wiesen gemäht und geheut, die Kinder aufgezogen, das Essen gekocht und das Gewand gewaschen, die Socken gestopft, in der Kirche gebetet und dem Pfarrer Probodnig ihre Sünden gebeichtet, im Kirchenchor gesungen, die Eltern, die Großeltern und die Gräber ihrer verstorbenen Verwandten gepflegt und sonst nicht viel anderes als das eben Gesagte getan hat, freute sie sich nur auf den Tod und das Paradies danach. Nie hat der Norbert die alte Leitenbauerin glücklicher gesehen als in dem Moment, in dem sie gestorben ist. Zogen sich ihre

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