Wer mit Hunden schläft - Roman
war ein Burggraben, über den der Burgwart mit den Mitgliedern des Vereins zur Erhaltung der Burgruine Pichlberg eine Holzbrücke errichtet und somit die Burgruine interessierten Besuchern zugänglich gemacht hatte. Die Besucher interessierten sich allerdings weniger für die in mühevoller und jahrelanger Arbeit bis zu den kleinsten Details liebevoll restaurierten Burggemächer und mittelalterlichen Gerätschaften als vielmehr für die billige und fette Brettljause des Burgwarts. Machten die Führungen des Burgwarts durch die Burggemächer nur aus dem einen und einzigen Grund mit, um den Burgwart nicht zu verprellen. Heuchelten ihm Interesse vor, indem sie Fragen stellten, wie zum Beispiel: Wie alt ist noch einmal diese Egge? Nur damit ihnen der Burgwart nach der Führung vor lauter Freude über die interessierten Besucher auch eine ordentliche Portion Fleisch auf ihrer billige Brettljause anrichten würde. Damit sie zu Hause am Abend darüber schwärmen konnten, wie gut und wie billig sie heute wieder gegessen hatten. Sich über alle lustig machen konnten, die sich an diesem Tag ein viel teureres und ihrer Meinung nach schlechteres Essen gekauft hatten. War die Erhaltung der Burgruine dem Burgwart das Wichtigste, war diese Aufgabe sein Lebensinhalt, interessierte sie die Besucher überhaupt nicht. Machten sich hinter seinem Rücken lustig über die Leidenschaft des Burgwarts. Bezeichneten ihn als schrullig und sogar als Spinner, zeigten ihre negative Einstellung ihm gegenüber aber nie. Gingen nach der Burgführung noch extra zu ihm hin, um sich für die schöne und interessante Führung zu bedanken. Gaben ihm sogar eine Spende, für den Verein zur Erhaltung der Burgruine, damit uns dieses Juwel noch lange erhalten bleibt, wie sie wortwörtlich sagten. Diese Freundlichkeit kam ihnen nach der aufgegessenen Brettljause völlig abhanden. In dem Moment, in dem sie die Burg über die Brücke verließen, ging es auch schon los. Die ganze Zeit treibt er sich nur auf der Burg herum, haben sie gesagt, wo er doch eine Frau und drei Kinder zu Hause hat. Die Kinder sind den ganzen Tag alleine auf der Straße, unbeaufsichtigt , haben sie gesagt. Kein Mensch weiß, was die tun die ganze Zeit, die armen Kinder. Die Frau sitzt den ganzen Tag vor dem Haus auf der Bank und wartet, bis er zurückkommt. Weil Freunde hat sie ja keine, die Daitsche . Immer hat sie das gleiche Hauskleid an, seine Frau. Kann einem fast leidtun oft, haben sie gesagt. Aber es hat ihr ja keiner angeschafft, nach Österreich zu kommen nach dem Krieg. Hätte ja in Daitschlaund bleiben können. Haben die keine Männer gehabt in Daitschlaund ?, haben sie einander gefragt. Die Daitschen haben uns das Ganze ja überhaupt erst eingebrockt seinerzeit. Und dann kommt der Burgwart heim und bringt so eine mit. Eine, die uns unsere Männer wegnimmt. Wo wir eh keine Männer mehr gehabt haben nach dem Krieg. Diejenigen, die zurückgekommen sind, waren komplett plemplem oder Krüppel. Mit denen war ja nichts anzufangen, haben sie gesagt et cetera.
»Sobald du ein Zugereister und kein sogenannter Dosiger gewesen bist, schon warst du verdächtig. Nie ist ein Zugereister von den Dosigen akzeptiert, geschweige denn integriert worden, wie man so schön sagt. Die Zugereisten sind immer gleichzeitig auch die Aussätzigen, überall. Nicht dass du glaubst, es ist mir in Wien anders gegangen, Kreisky, sag ich zu ihm. Aber wo! Nichts mehr hassen die Wiener als die Zugereisten. Obwohl sie selbst alle Zugereiste sind, stimmt’s? Seit ich in Wien lebe, habe ich keinen einzigen Wiener getroffen, der kein Zugereister gewesen wäre, wirklich wahr, oder, Kreisky? Dem Burgwart ist es seinerzeit gleich gegangen wie mir. Noch während sie ihm gewunken haben, ist er von ihnen ausgerichtet worden. Auch auf der Straße haben sie ihm zugewunken. Wenn sie auf der anderen Seite gestanden sind und sich gerade mit einem anderen unterhalten haben zum Beispiel, und sie den Burgwart gesehen haben, schon ist das Gespräch unterbrochen worden und sie haben rübergerufen zu ihm: JUHU!, JUHU !, haben sie gerufen, sich auf eine Fußspitze gestellt und einen Arm rausgestreckt. Wie die Schulkinder, wenn sie die Antwort wissen und unbedingt von der Lehrerin drangenommen werden wollen, um ihr die Antwort zu sagen, Kreisky. Du glaubst, du wirst gemocht, in Wirklichkeit aber hassen sie dich. Sie grüßen dich, schütteln dir die Hand, winken dir von Weitem zu, wenn du den Müll rausträgst zum Beispiel, aber in
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