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Wer mit Hunden schläft - Roman

Wer mit Hunden schläft - Roman

Titel: Wer mit Hunden schläft - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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noch hinausgegangen bin, um den Schnee wegzubrunzen tagtäglich im Winter. Du wirst lachen, Kreisky, sag ich zu ihm, aber ich habe nicht irgendwas in den Schnee gebrunzt. Es musste ein Muster oder ein Wort sein. Eigenartigerweise habe ich immer nur zwei Sachen hineingebrunzt. Nämlich ein Hakenkreuz und das Wort Fut. Direkt zwanghaft habe ich nur diese beiden Motive in den Schnee gebrunzt und habe eine diebische Freude dabei gehabt, die man hat als Kind, wenn man etwas Ungehöriges tut, nicht wahr? Im Endeffekt war ich aber zu feig, die Hakenkreuze und die Futen im Schnee stehen zu lassen. Habe mich geniert dafür im Nachhinein. Deshalb habe ich aus dem Hakenkreuz ein Fenster und aus dem Fut ein Auto gemacht. Die Wiese hinter dem Leitenbauerhof war voll von gelben Fensterkreuzen und Autos, wirklich wahr. Mein Lebtag bin ich das nicht mehr losgeworden, Kreisky. Die Seiten in meinen Schulheften und Schulbüchern waren gefüllt mit umgebauten Hakenkreuzen und Futen. Noch heute male ich mir mit dem Finger diese beiden Motive auf den Oberschenkel. Im Wartezimmer vom Arzt zum Beispiel, oder wenn mir einfach nur so langweilig ist. Gleichzeitig geniere ich mich vor mir selbst und habe Angst, es könnte jemand bemerken, dass ich mir Hakenkreuze und Futen auf meine Oberschenkel male und sich denken: Was ist das für ein Mensch, der sich Hakenkreuze und Futen auf seinen Oberschenkel malt in aller Öffentlichkeit? Das ist doch nicht normal! Es ist ja auch nicht normal, oder Kreisky?«, sagt der Herr Norbert.
    Natürlich hatten die Bemühungen des Norbert keine nennenswerten Auswirkungen. Das Schneeballbauen zur Vernichtung von Pichlberg, das Beten für den Föhn und das Schneebrunzen waren komplett umsonst gewesen. Weil zumeist schon am Abend eine Wolke über Pichlberg heraufzog und zwanzig Zentimeter Neuschnee herunterhaute, wie der Leitenbauer gesagt hat, und die Bemühungen und Hoffnungen des Norbert ruck, zuck wieder zunichte machten. MÜHSAM ERNÄHRT SICH DAS EICHHÖRNCHEN und FRÜH ÜBT SICH et cetera, hat die Mutter am nächsten Morgen gesagt und schon mit den alten, kaputten Skiern vor der Keusche auf den Norbert gewartet, um ihn zur Muglerleiten hinaufzubegleiten, wo er mit dem Staffeln wieder von vorne anfangen musste. Nie wieder in meinem Leben werde ich mir die Ski anschnallen, dachte sich der Norbert beim Anblick der Menschenschlange, die sich in der Kälte vor dem Lift gebildet hatte, als der Zug am Semmering an der Talstation vorbeifuhr und die ihn an die Skitage in Pichlberg erinnerten. Tatsächlich hat sich der Norbert nie mehr die Ski angeschnallt oder ein Skirennen im Fernsehen angeschaut. Ist vom Schnee im Generellen geheilt gewesen sein Lebtag. Vom Schnee und auch von der Kälte. Dem von ihr verursachten Brennen an den Füßen und Händen. Den rissigen Lippen. Der ununterbrochen rotzigen Nase. Den grippalen Infekten, die ihn in den Wintermonaten regelmäßig plagten, die er deshalb die meiste Zeit hinter dem Kanonenofen kauernd verbrachte. »Kreisky, sag ich, schon als Kind merkst du, dass alles nutzlos ist. Egal was du machst, es bringt nichts. Als Kind bist du nur ein Sklave und ein jeder kann dein Herr sein. Der größte Idiot ist mehr wert als du und kann dir anschaffen, was er will. Nur weil er erwachsen ist und du ein Kind bist. Oft hab ich mir gewünscht, nichts weiter als eine Leitenbauerische Sau zu sein. Eine unter vielen, die den ganzen Tag nichts anderes getan haben als zu fressen und zu scheißen und sich im eigenen Dreck zu wälzen. Die keine Ahnung gehabt haben vom Schlachtschussapparat und dem Messer, die auf sie gewartet haben. Anstatt jeden Tag wieder aufzuwachen und mir wieder Löcher mit dem Messer hineinstechen zu lassen. Die Messer kommen von allen Seiten und manchmal, wie bei der Mutter zum Beispiel, sogar von innen von einem selbst, Kreisky, wirklich wahr jetzt«, sagt der Herr Norbert.
    WER MIT HUNDEN SCHLÄFT, WACHT MIT FLÖHEN AUF , hat die Mutter immer gesagt.
    Am Südbahnhof wirst du von einem Erzieher abgeholt, hat die Mutter gesagt. Mit Ausnahme eines Wagenbauerischen Apfels befand sich noch die gesamte Jause der Mutter im Rucksack, weil der Norbert die ganze Fahrt überhaupt keinen Hunger mehr hatte vor lauter Aufregung. Dabei hätte er nicht aufgeregt sein müssen, wenn es nach der Mutter ging. Laut der Mutter konnte er den Erzieher überhaupt nicht übersehen. DEN SIEHT EIN BLINDER , hat sie mehrere Male gesagt, als sie den besorgten Blick des Norbert bemerkte am Bahnsteig

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