Wer Mit Schuld Beladen Ist
denke ich. Es hilft, dass sie das Haus erst bezogen hat, nachdem Janet und ich ausgeflogen waren. Wenn ich im selben Zimmer wie in meiner Schulzeit schlafen müsste, würde ich mir vermutlich wie ein noch größerer Versager vorkommen als jetzt. So wie es ist, kommt es mir eher vor, als wäre ich ein Hausgast und nicht jemand, der wieder zu seiner Mutter gezogen ist.«
Ihre Hände verharrten über den Paprika. »O Gott, Russ. Es tut mir so leid.«
Er wischte sich die Hände an einem Trockentuch ab und legte seine Hände auf ihre Schultern. »Hör mal. Ich weiß, dass wir reden müssen. Als du mich gefragt hast, ob ich herkommen würde, wusste ich, dass es keine Einladung zu einem Rendezvous oder eine Verführung war. Aber verdammt, ich würde gern schön mit dir essen, ehe wir zu dem Teil übergehen, bei dem wir uns die Eingeweide rausreißen. Wie oft haben wir schon abends zusammen gegessen?«
»Drei Mal«, sagte sie.
»Okay.« Er schüttelte sie sanft. »Können wir alles andere für ein oder zwei Stunden beiseitelassen? Können wir einfach das Radio einschalten und über unsere Arbeit reden und das Wetter und die Idioten in Washington, wie ein richtiges Paar es tun würde?«
Sie nickte. Langsam begann sie zu lächeln. Gott, er liebte ihr Lächeln.
»Gut«, sagte sie. »Was ist mit den Patriots?«
In der Vorratskammer entdeckte sie Kerzen. Ihr Schein wurde vom Glas der Büchervitrine reflektiert, die hinter dem Esstisch stand.
»Ich mache mir Sorgen um Kevin«, sagte er. »Er hat das Potenzial zu einem guten Polizisten, aber er ist immer noch schrecklich unreif. Er muss seinen Horizont erweitern. Ich glaube, er war noch nie weiter von Millers Kill weg als bei der Fahrt mit seiner Abschlussklasse nach New York.«
Sie spießte einen Happen saucengetränktes Huhn auf. »Hast du die Möglichkeit, ihn für ein halbes Jahr in einem städtischen Polizeirevier unterzubringen? So eine Art befristeter Einsatz?«
»Klar. Aber dann verliere ich ihn. Man kann sie nicht auf dem Land festhalten …«
»… wenn sie erst mal Stadtluft geschnuppert haben.«
Er goss sich noch ein Glas Cranberrysaft ein. »So wie es aussieht, gebe ich Mark Durkee noch ein oder zwei Jahre, bis er von Bord geht. Die Talentierten, die mit Verstand und Energie, wollen was Größeres, Besseres. Diejenigen, die bleiben, sind wie Noble, der in einer größeren Einheit untergehen würde. Oder wie ich und Lyle, zu alt, um sich noch zu verändern.«
Sie schnaubte. »Stimmt, das bist du. Tatterst direkt aufs Pflegeheim zu. Vergiss nicht, meine Sekretärin anzurufen, damit sie dich auf die Besuchsliste setzt.«
»Pass auf, was du sagst, Kind. Mal sehen, wie du dich in ein paar Jahren anhörst, wenn deine Knie den Geist aufgegeben haben.«
»Wohl eher den Heiligen Geist.« Sie trank einen Schluck von ihrem Wein. »Trotzdem glaube ich, dass du dich in Mark Durkee irrst. Die Familie seiner Frau lebt hier, oder?«
»Bains. Zwischen hier und Cossayuharie wohnen Dutzende von ihnen.«
»Und sie haben ein kleines Mädchen, stimmt’s?«
»Hm.«
»Schwer, einfach so Großeltern und Schule und so weiter aufzugeben.« Sie ignorierte ihre guten Manieren und stützte einen Ellbogen auf den Tisch. »Du solltest Mark so einen befristeten Einsatz verschaffen. Er hat etwas, zu dem er zurückkommen möchte.«
»Und Kevin?«
Sie hob wieder ihr Weinglas und musterte ihn über den Rand hinweg. »Er muss seinen Horizont erweitern, sehr richtig. Ich vermute, dass Kevin Flynn nichts fehlt, was nicht dadurch geheilt werden könnte, dass er ordentlich flachgelegt wird.«
Vor Lachen erstickte er fast an seinen Nudeln.
Den Abwasch erledigten sie gemeinsam.
»Das haben meine Eltern auch immer getan, als ich noch ein kleines Mädchen war«, erzählte Clare, während sie eine klebrige Stelle schrubbte, an der Erdnussbutter angebrannt war. »Mama hat abgewaschen und Daddy abgetrocknet.«
»Das ist die natürliche Ordnung der Dinge«, erwiderte Russ, der einem Teller den letzten Glanz verpasste, ehe er ihn wieder in den Schrank stellte. »Frauen waschen. Männer trocknen.« Er nahm ein Glas vom Abtropfgestell. Er hatte das seit Jahren nicht mehr getan. Linda und er aßen meistens Fertiggerichte, oder er rührte sich etwas aus Konserven zusammen, wenn er zu spät nach Hause kam oder sie an einem Auftrag arbeitete. Die Teller wanderten in die Geschirrspülmaschine, manchmal lagen Stunden dazwischen. »Andersrum ist es unnatürlich.«
»Und warum, bitte schön, ist das
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