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Wer Mit Schuld Beladen Ist

Wer Mit Schuld Beladen Ist

Titel: Wer Mit Schuld Beladen Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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wiedersehen.
    Er würde in seinen Sarg zurückkehren, den Deckel selbst über sich schließen. Er nahm an, dass es ihm nach ein paar Jahren vermutlich sogar wieder gefallen könnte.

    Neben dem Sofa und den Sesseln stand eine alte Stereoanlage, eine von denen mit langem Dorn, auf den man vier oder fünf Platten gleichzeitig legen konnte. Sie hatten das Licht in der Küche und eine der Lampen eingeschaltet, so dass sie Kaffee kochen konnte, während er die Alben durchsah. Einige davon waren vermutlich alt genug, um als Antiquitäten durchzugehen. Viel samtiger Jazz aus den Fünfzigern und klassischer amerikanischer Pop. Er legte Louis Armstrong auf.
    »Bitte schön.« Sie reichte ihm einen Becher. »Heiß und süß, so wie du ihn magst.«
    »Außer dass ich ihn normalerweise nicht nachts um elf trinke.« Er stellte den Becher auf den Couchtisch. »Tanz mit mir.«
    Sie lächelte ein wenig. Stellte ihren eigenen Kaffeebecher ab. Glitt in seine Arme. Ihr Kopf passte genau unter sein Kinn.
    »Give me a kiss to build a dream on«, sang Louis, während sie sich aneinanderschmiegten, »and my imagination will thrive upon that kiss.«

    Sie saßen auf dem Sofa und starrten quer durch den Raum ins Feuer. Die Musik des fünften Albums spielte leise. Mel Tormé.
    »Du bist dran«, sagte er.
    »Okay. Ähem … manchmal benutze ich meine Zahnseide beim Fernsehgucken.«
    »Das tut doch jeder.«
    »Echt? Huch. Na ja, aber trotzdem gehört es zu den Dingen, die du nicht von mir gewusst hast. Du bist wieder dran.«
    »Okay. Ich hatte schon mal Fußpilz.«
    »Arrgh! Eklig! Das wollte ich wirklich nicht wissen. Wann?«
    »In Nam. Ich konnte während der Regenzeit fünf oder sechs Wochen lang nicht die Socken wechseln. Ich kippe bis heute zwanghaft Fußpilzpuder auf meine Füße, ehe ich irgendwas anziehe.«
    »Du hattest recht. Es ist wahre Liebe.«
    »Hm. Warum?«
    »Weil ich dich auch mit diesem widerlichen Bild im Kopf noch unwiderstehlich finde.«

    Sie lagen aneinandergeschmiegt auf dem Sofa, ihr Rücken an seiner Brust, sein Arm um sie geschlungen. Das Licht war wieder aus. Die Musik verstummt. Er konnte das Knistern des Feuers im Ofen hören und die Stille des fallenden Schnees um sie herum.
    »Ich möchte dir etwas erzählen, das ich noch nie jemandem anvertraut habe«, begann er.
    »In Ordnung.«
    »Du weißt doch noch, dass ich dir erzählt habe, ich sei eingezogen worden. Das stimmt nicht. Ich habe mich freiwillig gemeldet.«
    »Was?« Sie drehte sich um, so dass ihre Gesichter einander zugewandt waren. »Du willst mich auf den Arm nehmen.«
    »Ich schwöre.«
    »1970? Du hast dich auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs freiwillig gemeldet? Und dann deswegen gelogen?«
    »Eigentlich war der Höhepunkt 1968, als …«
    Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Russ.«
    »Ich sehnte mich verzweifelt danach, wegzukommen, aber ich hatte das Gefühl, meine Mom würde mich nach dem Tod meines Vaters als Mann im Haus brauchen.« Er folgte mit der Hand dem Schwung ihrer Hüfte. »Ich war achtzehn, und mein ganzes Leben lag vorgezeichnet vor mir. Ein Job in der Mühle. Wohnen bei meiner Mutter, bis ich eines der Mädchen aus meiner Klasse heirate und nach nebenan ziehe. Jeden Freitag in die Kneipe und jeden Sonntag zu Mutter zum Essen. Ich wollte lieber mit Glanz und Gloria untergehen als das.« Er lächelte voller Zuneigung und Bedauern für den dummen Jungen, der er gewesen war.
    »Aber – das Rekrutierungsbüro – es muss doch Akten gegeben haben. Wie hast du es geheim gehalten?«
    »Mehr Glück als Planung. Ich habe den Leiter des örtlichen Rekrutierungsbüros aufgesucht. Den alten Harry McNeil. War zur Zeit meiner Großeltern Polizeichef, kannst du dir das vorstellen? Im Rückblick bin ich erstaunt, dass er mitgemacht hat. Irgendwann fragte er mich, ob ich sicher wäre, dass ich es lieber mit dem Vietcong als mit meiner Mutter aufnehmen wollte.« Er grinste.
    »Ich kenne deine Mutter. Die Entscheidung ist schwierig.«
    »Ich schätze, er hatte Mitleid mit einem jungen Mann, der so weit wie möglich von Millers Kill wegwollte. Er gab mir einen offiziellen Einberufungsbescheid, den ich meiner Mom zeigen konnte – das waren Vordrucke, in die alle Daten mit Schreibmaschine eingesetzt wurden –, und ich nahm noch am selben Tag den Bus nach Saratoga und meldete mich.«
    »Und es ist nie herausgekommen?«
    »Mr. McNeil starb, ehe ich fortging. Meine Mutter fing erst an, einen Aufstand zu machen, als ich nach meiner Grundausbildung

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