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Wer Mit Schuld Beladen Ist

Wer Mit Schuld Beladen Ist

Titel: Wer Mit Schuld Beladen Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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dir den Stinkefinger zu zeigen. Okay, ich bin ein Hurensohn, und du hast das Recht, mir ein neues Gesicht zu verpassen. Ich habe mit deiner Frau geschlafen, und dann habe ich dich kennengelernt und begonnen, dich zu respektieren und zu mögen, und ich habe nie den Mut aufgebracht, dir die Wahrheit zu sagen. Es tut mir leid. Jesus. Was soll ich sonst noch sagen? Es tut mir leid. Doch du musst dich der Tatsache stellen, dass in einer Ehe etwas schiefläuft, wenn zwei Menschen sich so verhalten wie du und deine Frau.«
    »Nicht, dass dich das etwas anginge«, knurrte Russ durch zusammengebissene Zähne, »aber ich weiß, dass in meiner Ehe nicht alles stimmt. Und das werde ich ändern, sobald ich meine Frau gefunden habe.«
    Lyle gab seinen Arm frei. Er seufzte, ein flaches Seufzen der Niederlage. »Richtig.«
    Russ wandte sich ab. Nahm die zwei Stufen. Drehte sich um. »Was ich nicht verstehe«, sagte er, »ist das Warum. Auch wenn du mich nicht gekannt hast, wusstest du doch, dass ich die Dienststelle leite. Warum hast du dir den Ärger ins Haus geholt? Warum meine Frau?«
    Lyle lächelte humorlos. »Ich habe geglaubt, ausgerechnet du könntest das nachvollziehen.« Er wandte den Blick von Russ ab und richtete ihn in die Vergangenheit, sieben Jahre zuvor. »Ich habe mich in sie verliebt«, bekannte er. »Auch ich habe mich in sie verliebt.«

38
    D onnerstagmorgen weigerte Clare sich, in die Zeitung zu schauen. Als sie die knarrende Eingangstür des Pfarrhauses öffnete, sah sie sie in ihrer leuchtendgelben Plastikhülle, die sie vor dem angekündigten Unwetter schützen sollte, auf der Veranda liegen, und fragte sich, warum ihr nie aufgefallen war, wie sehr sie einer nicht gezündeten Rohrbombe glich. Oder einer riesigen, bösartigen Wespe, die nur darauf lauerte, dass sie arglos die Hand ausstreckte, um zuzustechen. Sie schloss die Tür. Was immer darinstand, sie würde es schnell genug erfahren.
    Rasch zog sie sich an, bemüht, die Unordnung in ihren Schubladen und die auf eine Seite geschobenen Bügel in ihrem Schrank zu ignorieren. Als sie in der Küche den Vorratsschrank öffnete, um das Hafermehl herauszunehmen, war sie von dem Durcheinander so angewidert, dass ihr der Appetit verging und sie die Tür wieder zuschlug. Was hatten sie hinter den Dosentomaten und Rigatoni-Paketen zu finden gehofft?
    Sie füllte den Kaffee aus der Kaffeemaschine in ihre Thermoskanne um, zog Stiefel und Parka an. Das Telefon neben der Garderobe zeigte rot blinkend zahllose Nachrichten an. Sie zögerte, die Hand über dem Gerät. Vielleicht hatte Russ sich gemeldet?
    Dann dachte sie an seinen Gesichtsausdruck im Revier, die misstrauische Polizistenmaske, die sich über seine Züge gelegt hatte, und Zorn brach in ihr auf. Nein, Russ hatte sich nicht gemeldet. Sie ließ das Telefon hinter der Küchentür monoton weiterblinken und lief über den knirschenden Schnee ihrer nicht geräumten Zufahrt zur Kirche.
    Sie benutzte den Hintereingang und ging durch den düsteren Gemeindesaal zu ihrem Büro. Als sie näher kam, hörte sie zu ihrer Überraschung Stimmen aus dem Sekretariat. Sonst war sie immer die Erste. Lois tauchte nie vor neun Uhr auf. Sie verlangsamte ihre Schritte und blieb vor der Tür stehen.
    Die Stimme sprach, dann schwieg sie. Ein Telefongespräch. »Ich weiß nicht genug, um eine Empfehlung aussprechen zu können.« Elizabeth de Groot. Himmel, sie war echt die Frau aus den Sprüchen! Sie steht vor Tage auf. »Ich dachte, Sie sollten es zuerst von mir hören«, fuhr Elizabeth fort. Clare beugte sich vor, und die Thermoskanne schlug gegen ihr Bein. Sie erstarrte. »Nein«, sagte Elizabeth. Eine weitere lange Pause. »Nun, das muss die Polizei entscheiden, nicht wahr?«
    Plötzlich sah Clare sich selbst vor sich, vor dem Kirchensekretariat in der Dunkelheit lauernd, ein Privatgespräch belauschend. Kein angenehmes Bild. Sie zog sich ein paar Schritte zurück, räusperte sich und rief: »Hallo?«
    Ein kurzes Zögern, dann antwortete de Groot: »Hi, Clare. Ich bin’s, Elizabeth.« Dann leise etwas ins Telefon. Als Clare durch die Tür trat, legte sie gerade den Hörer auf. »Ich habe beschlossen, heute früh anzufangen«, sagte Elizabeth. »Ich muss mir noch so viel aneignen, bis ich schneller arbeiten kann.«
    »Hm.« Clare stellte ihre Thermoskanne auf Lois’ Schreibtisch.
    »Ich glaube wirklich, dass ich zu der anstehenden Spendenkampagne etwas beitragen kann«, fuhr Elizabeth fort. »Von dem Haushaltskomitee ganz zu

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