Wer Mit Schuld Beladen Ist
Hosenträgern, in die Betrachtung einer Blaupause vertieft, richtete sich auf ihn. »Whitey! Matt! Hört mal eine Minute auf!« Die Kreissäge erstarb. Der große Mann kam quer durch den Arbeitsbereich auf sie zu. Er war genauso groß wie Russ und gut zwanzig Kilo schwerer und hatte das offene Gesicht eines Mannes, der alle Welt als Freund betrachtet, bis ihm das Gegenteil bewiesen wird.
»Hey, Ms. LeBlanc. Was kann ich für Sie tun?«
»Das ist Ray Yardhaas, unser Bauleiter. Ray, das ist der Polizeichef von Millers Kill. Russ Van Alstyne.«
Ray schüttelte ihm die Hand. »Wir haben uns schon getroffen. Vor zwei Jahren, als die Anlage gebaut wurde.« Er grinste. »Das erste Mal, dass ich jemanden kennengelernt habe, der in einem richtigen echten Mordfall ermittelt. Meine Frau war höllisch beeindruckt.«
»Ray, wir suchen jemanden, der Mrs. Van Alstyne beim Anbringen der Vorhänge behilflich gewesen sein könnte.«
»Mrs. Van Alstyne?« Er streifte Russ mit einem Blick. »Sie meinen die Vorhang-Lady? Ja, das war meistens Charlie. Warum? Hat er sie belästigt?«
LeBlanc runzelte die Stirn. »Kommt so etwas vor?«
»Ach, er hat das Herz am richtigen Fleck, schätze ich. Nur schaltet sein Mundwerk ab und an in den dritten Gang, wenn sein Verstand noch die Handbremse löst. Aber er hat kleine Hände. Gut für die fummelige Arbeit, die er machen muss.«
»Kann ich mit ihm sprechen?«, fragte Russ.
»Er macht gerade Pause.« Ray imitierte das Paffen einer Zigarette. »Aber er gehört zu meinem Trupp. Wenn er etwas getan hat, das er lieber hätte lassen sollen, will ich das wissen.«
Russ schüttelte den Kopf. »Ich brauche einfach ein paar Informationen.« Er überlegte, wie viel er preisgeben sollte. »Meine Frau …«
Ray zeigte über seine Schulter. »Da ist er.«
Russ drehte sich um.
Und sah Dennis Shambaugh auf sich zukommen.
41
I n zwei langen Sätzen hatte Russ Shambaugh erreicht, krallte seine Hände in den Kragen des Mannes und drückte ihm die Luft ab, zwang ihn in die Knie. Barbara LeBlanc schrie etwas, doch durch das Rauschen in seinen Ohren konnte er sie nicht verstehen.
»Wo ist sie, du Scheißkerl?« Russ packte noch fester zu, seine Lautstärke steigerte sich zu einem Brüllen. »Wo ist meine Frau?«
Zwei topfhandschuhgroße Hände an seinen Oberarmen rissen ihn zurück. »Mal langsam, Chief.« Rays Stimme dröhnte, auch ohne dass er brüllte. »Ich dachte, Sie wollten ihm nur ein paar Fragen stellen.«
Russ wand sich aus Yardhaas’ Griff. »Der Mann ist verhaftet«, erklärte er, während er auf den keuchenden Haufen Flanell und Denim auf dem Fußboden zeigte. Seine Hand zitterte. »Wegen Datenbetrugs, Mordverdacht und des Verschwindens von Linda Van Alstyne.« Wieder stürzte er sich auf Shambaugh. »Wo ist meine Frau?«, brüllte er.
Der Mann riss die Arme hoch. »Ich weiß von nichts. Ich weiß überhaupt gar nix!« Zwischen den Unterarmen hindurch spähte er zu Russ hoch, während er sich gegen den Schlag wappnete.
Russ starrte.
Er packte die Handgelenke des Mannes und zwang sie nach unten.
»Tun Sie mir nicht weh«, winselte der Mann. »Ray, lass nicht zu, dass er mir weh tut.«
Das war nicht Dennis Shambaugh.
»Scheiße«, fluchte Russ und löste seinen Griff. Er wandte sich ab und kämpfte um seine Selbstbeherrschung. »Allmächtiger!« Er drehte sich wieder um. »Tut mir leid.« Er sah den auf den Boden kauernden Mann an, dann Yardhaas und Barbara, die ihn voller Abscheu anstarrte. »Es tut mir leid. Wir fahnden nach einem Mann namens Dennis Shambaugh. Ich dachte, er wäre es. Es tut mir leid.«
Ray streckte eine fleischige Hand aus und half seinem Mann auf. »Das hier ist Charlie Shambaugh.«
Der kleinere Mann huschte hinter Ray. »Dennie ist mein Bruder«, erklärte er.
Russ nahm die Brille ab und rieb sich das Gesicht. »Es tut mir leid«, wiederholte er. »Sie sehen sich sehr ähnlich.«
»Ja, tun wir alle.« Charlie Shambaughs Stimme zitterte.
»Haben Sie in letzter Zeit von Ihrem Bruder gehört?«
»Vor ungefähr einem Monat. Er steckt wieder in Schwierigkeiten, was?«
»Einen Moment.« Ray drehte sich zu Charlie um. »War das der Bruder, den du mitgebracht hast, als wir im November neue Leute gesucht haben?«
Charlie nickte.
»Du hast mir nicht gesagt, dass er ein Gauner ist.«
Charlie zuckte die Schultern. »Er brauchte Arbeit.«
Ray wandte sich an Russ. »Ich musste ein paar neue Leute einstellen. Ein paar meiner Männer hatten sich bereits im Süden
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