Wer Mit Schuld Beladen Ist
Leichenschauhaus, also zur Hölle mit meiner Schwester?«
»Debbie, ich spüre niemanden auf, es sei denn, ich brauche ein Zitat von ihm. Vermisste zu finden gehört nicht zu meinen Aufgaben. Laut der Frau, mit der ich heute Vormittag gesprochen habe, leitet Ihr Schwager die Ermittlungen zum Verschwinden Ihrer Schwester. Ich schlage vor, dass Sie ihn anrufen und sich erkundigen, wie es steht.« Dann malte er sich aus, wie sie in der Lobby des Post-Star kauerte und sich am Handy produzierte. »Noch besser wäre es, Sie treiben ihn auf und stellen fest, was Sie tun können.«
»Ich habe geglaubt, es wäre Ihnen wichtig. Dabei haben Sie mich nur benutzt. «
Jetzt klang sie allmählich wie seine durchgeknallte Ex-Freundin. »Es ist mir wichtig. Sobald irgendjemand irgendetwas herausfindet, möchte ich davon wissen. Finden Sie Chief Van Alstyne, und ich verspreche Ihnen, sollte er Beweise für ein Verbrechen entdeckt haben, wird die morgige Ausgabe darüber berichten.« Er sah sich nach ihrem Mantel um, doch natürlich hatte sie nur das knappe Jäckchen dabei, das sie gestern getragen hatte. »Und kaufen Sie sich etwas zum Anziehen, ehe Sie erfrieren.«
Sie ließ zu, dass er sie zur Tür manövrierte. »Was werden Sie tun?«
»Während ich auf Neuigkeiten über Ihre Schwester warte, werde ich an einem anderen Artikel arbeiten. Er hat nichts mit dem Mordfall Keane zu tun.«
Am Ausgang blieb sie stehen, und einen Moment fürchtete er, sie würde sich an den Rahmen klammern und sich weigern, zu gehen. »Mit was dann?«
»Tierquälerei.« Er schob sie hinaus und kehrte zur Tagesordnung zurück.
Der Anruf wegen der Tiere war eine Eingebung gewesen, ehrlich. Das Muster drängte sich auf, und obgleich er nicht hätte formulieren können, was ihm durch den Kopf ging, als die Pastorin ihn nach dem Schwein fragte, weil ein Lamm eines ihrer Gemeindemitglieder getötet worden war, bewegte ihn die schaurige dreiseitige Symmetrie des Ganzen, umgehend beim MKPD anzurufen, sobald Reverend Fergusson aufgelegt hatte.
Er begann bei Dr. Underkirk, die Liste mit den Namen der Opfer in der Hand. Selbstverständlich wurde er nicht zum Doktor durchgestellt – er fragte sich, wem das gelang: Ehepartnern? Börsenmaklern? –, doch er musste nur ein wenig plaudern und über einige der schweinemäßigen Witze der geschwätzigen Arzthelferin lachen, um herauszufinden, wonach sich die Pastorin erkundigt hatte: nach dem Räumdienst des Doktors.
Für die übrigen Leute auf der Liste brauchte er nicht lange. Diejenigen, die er erreichte, beschäftigten denselben Dienst.
Interessant.
Er ging ins Internet. Innerhalb einer Viertelstunde hatte er Quinn Traceys Blog entdeckt, eine halbe Stunde verging mit dem Lesen der Einträge, und nicht eine Sekunde, bis er feststellte, dass der Junge echt verdreht war.
Ben ignorierte die fehlerhaft geschriebenen Klagen über faschistische Eltern, unbedeutende Lehrer und eingebildete, hochnäsige Mädchen. In seinen Highschool-Tagen hatte er sehr ähnlich empfunden und war trotzdem nie losgezogen, um Tiere auszuweiden.
Die weitschweifigen Nacherzählungen von Fernsehserien und die hochtrabenden Musikbesprechungen ließ er ebenfalls außer Acht. Die Hälfte aller Websites und Blogs wurde von Menschen betrieben, die einem in allen schmerzhaften Details darlegten, was ihnen gefiel und was nicht.
Doch das übrige Zeug, das der Bursche ins Netz einstellte – das war anders. Düster und unerfreulich. Statements, die Krieg und Schmerzen und den unbesiegbaren Soldaten glorifizierten, der ständig dem Tod begegnete. Tiraden gegen Terroristen, Menschen aus dem Mittleren Osten, Immigranten. Phantasien von Rachefeldzügen gegen seine Feinde, mit detaillierten Schilderungen, wie diese Rache aussehen würde. Das Ganze las sich wie der Blick in den Schädel eines Skinheads, der ein Mal zu oft einen dieser Filme gesehen hatte, in dem ein einsamer amerikanischer Held einen Wagen voller gesichtsloser Schurken durchlöchert.
Ben wusste, dass junge Männer dazu neigen, von der Herrlichkeit eines Blutbads zu phantasieren. Einige träumten davon, die Kampfkunst zu beherrschen, während andere sich ausmalten, wie sie gemeinsam mit einer Eliteeinheit hinter die feindlichen Linien vordrangen. Brutal, aber im Wesentlichen harmlos. Einige Jungs blieben dabei und meldeten sich freiwillig, die meisten indes gingen zum College und entdeckten stattdessen die Freuden der Sexualität.
Quinn Tracey war anders. Ben wollte ihm am liebsten
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