Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Mit Schuld Beladen Ist

Wer Mit Schuld Beladen Ist

Titel: Wer Mit Schuld Beladen Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
Vom Netzwerk:
folgte.
    Dann riss sie den Wagen herum, kämpfte darum, ihn nicht ausbrechen zu lassen, schleuderte in weitem Bogen, die Reifen vibrierten und griffen, den düsteren Schatten des Volvo fast sicher vor sich. Die Reifen gruben sich in den Schnee, trafen auf Sand und Kies, und sie schoss vorwärts, die Karosserie vibrierte, nur um hart zu bremsen, als sie den Volvo überholte, an seiner Schnauze vorbeiraste, die nicht dort war, wo sie hätte sein müssen. Ihr wurde bewusst, dass er die Wende nicht geschafft hatte und stattdessen zurückgerutscht war, in die Senke des Mittelstreifens.
    »Der Verdächtige steht«, sagte O’Brien, der nicht bewusst war, dass sie brüllte, bis die Worte in ihren gequälten Ohren gellten. Sie schaltete die Sirene ab. »Außerdem sind mindestens drei Fahrzeuge von der Straße abgekommen. Wenigstens eine Kollision.«
    »Krankenwagen sind unterwegs«, antwortete die Zentrale.
    Sie zog ihre Waffe und riss die Tür auf. Wind und Schnee peitschten ihr ins Gesicht. Sie trampelte durch den aufgewühlten Matsch aus Schnee und Erde und dann zum Mittelstreifen, die Waffe im Anschlag. Rechts neben der Fahrertür blieb sie stehen. Sie konnte den Mann im Inneren erkennen, sein bleiches Gesicht, die dunklen Haare. Gedrungen und verängstigt. Sie behielt ihn im Auge. »Aussteigen«, brüllte sie gegen den Wind. »Halten Sie Ihre Hände so, dass ich sie sehen kann.«
    Er entriegelte die Tür und taumelte heraus, eine Hand in der Luft. »Beide Hände hoch!« Er ließ die Hand baumeln, und sie konnte erkennen, dass mit seinem anderen Arm etwas nicht stimmte. Aus dem Augenwinkel sah sie einen rotweißen Wirbel. Ihre Rückendeckung.
    »Dennis Shambaugh«, rief sie. »Sie sind verhaftet.«

44
    C lare saß an ihrem Schreibtisch und schaute den Flocken durch die Butzenscheiben ihres Büros beim Fallen zu. Ein wunderbares Bild, wie eine Illustration aus dem Märchenbuch mit Schneewittchen, das sie als Kind besessen hatte. Sie konnte sich ausmalen, wie sie selbst den Fensterflügel öffnete und sich in den Finger stach, das Rot auf dem Schnee. Schwarz wie Ebenholz, weiß wie Schnee und rot wie Blut.
    Blut im Schnee. Sie wandte den Blick vom Fenster ab und zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder den Unterlagen vor sich zu widmen. Sie hatte alles getan, was sie vernünftigerweise tun konnte. Sie hatte die Leute angerufen, deren Tiere gestorben waren, und dann die Polizei. Warum hatte die das Muster eigentlich nicht erkannt? Sie war Pastorin. Warum musste sie die ganze Lauferei für die Polizei erledigen?
    Ein Gespräch mit Russ blitzte in ihrer Erinnerung auf.
    Lauferei?, hatte er sie aufgezogen.
    Na ja, das sagen sie immer im Fernsehen.
    Sie schlug mit der flachen Hand auf die Akten. Schluss damit. Sie würde ihre Arbeit erledigen und dann nach Hause gehen. Eine Suppe kochen, eine DVD einlegen, ein letztes Gebet sprechen und dann ab ins Bett. Und damit wäre der erste Tag ihres Lebens ohne Russ beendet.
    Sie barg das Gesicht in den Händen. Das war das Blut und die Schwärze in ihrem Bild. Sie hatte das schon einmal getan, am vergangenen Montag, und in den darauffolgenden vier Tagen war sie von Pontius zu Pilatus gepeitscht worden. Seine Frau war tot, dann wieder nicht. Er war verdächtig, dann war Clare verdächtig. Er brauchte sie, verließ sich auf sie. Dann wog er sie und befand sie für zu leicht. Gestern Morgen hatte er hier, direkt hier in ihrem Büro gesessen und zugelassen, dass sie sein gebrochenes Herz in Händen hielt. Jetzt durften sie nicht miteinander reden.
    Kein Wunder, dass sie sich nicht konzentrieren konnte. Sie wartete auf den nächsten Schlag.
    Das Telefon klingelte. Sie musterte es. Als Lois vor einer Stunde gegangen war, hatte sie alle eingehenden Anrufe auf das Telefon im Pfarrbüro umgestellt. Wenn Clare bis zum zehnten Klingeln nicht abnahm, schaltete sich der Anrufbeantworter ein, und die Nachricht musste warten, bis der Sturm abgeklungen war.
    Clare nahm den Hörer ab. »St. Alban’s.«
    »Hey, Reverend Fergusson.«
    »Harlene? Warum flüstern Sie?«
    »Die böse Hexe des Westens hat mir befohlen, Sie durchzustellen. Aber ich muss Ihnen erst ein paar Neuigkeiten erzählen. Die State Police hat Dennis Shambaugh verhaftet. Eric McCrea und sie treffen sich im Hauptquartier von Troop G mit der Polizistin, die die Verhaftung vorgenommen hat, zum Verhör.«
    »Heilige Kuh!«, flüsterte Clare. Sie räusperte sich. »Weiß Russ Bescheid?«
    »Ich habe eine Nachricht auf seinem Handy

Weitere Kostenlose Bücher