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Wer Mit Schuld Beladen Ist

Wer Mit Schuld Beladen Ist

Titel: Wer Mit Schuld Beladen Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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und ließ den Motor an. »Ein ›ich hab’s dir ja gesagt‹ werde ich mir verkneifen. Das weißt du selbst. Aber verdammt, Russ, wenn dir diese Nummer nicht zeigt, warum du dich aus der Sache raushalten solltest, weiß ich auch nicht mehr weiter.«
    »Du hast recht.«
    Lyle starrte ihn an.
    »Du hast nicht erwartet, dass ich dir zustimme, was?«
    »Ehrlich gesagt, nein.«
    »Ich werde mich nicht aus dem Fall zurückziehen. Aber du hattest recht, da drin war ich nur eine Belastung. Ich glaube, ich sollte dir die Laufarbeit überlassen und mich darauf beschränken, zu analysieren, was du und die anderen Männer herausfindet.« Er presste die Lippen zusammen. Was er als Nächstes sagen musste, fiel ihm schwer. »Wenn wir können, würde ich die Anzahl der Männer gern verringern, die dieser Spur nachgehen. Falls sich herausstellt, dass an dem, was Meg Tracey erzählt hat, etwas Wahres … Ich – ich will nicht …«
    »Ich verstehe.«
    Russ entspannte sich. »Danke.« Er starrte aus dem Fenster. Haus, Haus, Farm, Haus. Konturenlose Felder, unter dem Dezemberschnee begrabene Stoppeln und Heuwiesen. »Wohin fahren wir?«
    »Zurück zum Revier. Hör mal, da du ja vorübergehend in einem einigermaßen ansprechbaren Zustand bist, wie wär’s, wenn du meinen Rat befolgst und eine Weile nach Hause fährst? Dein Vormittag war die Hölle.«
    Komisch, wie das Haus seiner Mutter ein »Zuhause« geworden war. Er fragte sich, ob er jemals wieder imstande sein würde, in seinem eigenen Haus zu leben. »Der Autopsiebericht müsste bald da sein«, sagte er.
    »Frühestens heute Nachmittag. Vorher wird Dr. Dvorak nichts haben. Du willst ihn sehen, oder?«
    Es hatte nie etwas gegeben, das er weniger hatte sehen wollen. »Ja.«
    »Dann mach mal Pause. Ruh dich aus, iss was, lass dich von deiner Mutter ein bisschen umsorgen. Du willst doch nicht dem Pathologen vor die Füße reihern, weil du zu viel Stress hast.«
    Russ grunzte. Das war sein äußerstes Zugeständnis, dass Lyle recht hatte.
    »Wenn ich am Revier aussteige, kannst du dann allein nach Hause fahren?«, erkundigte sich Lyle.
    »Ja.« Jesus, er musste sich zusammennehmen, sonst fingen seine Männer noch an, ihn im Rollstuhl herumzukarren und mit dem Löffel Brei zu füttern.
    »Also gut.«
    Von den Traceys führte die Route 117 zurück zur Stadt, über den Hügel am Fluss entlang und vorbei an dem Pavillon, wo Elm und 117 in die Church Street mündeten.
    Zwischen den verschneiten Silberahornbäumen hindurch konnte er die graue Steinfestung von St. Alban’s ausmachen. Dort war sie, hinter einem dieser rautenförmigen Fenster, nur einen Block entfernt und doch so unerreichbar wie der Mond.
    Aus dem CD-Player erklang Natalie Maines von den Dixie Chicks: Without you, I’m not okay, and without you, I’ve lost my way …
    Falls er diese Katastrophe überlebte, würde er nie wieder Countrymusik hören.

12
    C lare Fergusson betrachtete die dunkelgrün schimmernde Tür und fragte sich, warum eigentlich eine geschlossene Tür das Erschreckendste auf Erden war. Einst hatte sie Soldaten durch die offene Luke ihres Helikopters gezogen, während ringsumher feindlicher Beschuss den Sand aufpeitschte. Eine zornige, verängstigte Frau hatte ihr eine Waffe an die Schläfe gehalten. Sie war durch schlangenverseuchte Sümpfe gekrochen, um ihrem Militärausbilder zu beweisen, dass sie ebenso gut war wie jeder Mann seiner Truppe.
    All diese Dinge hatten sie nicht so verängstigt wie eine geschlossene Tür. Die Tür zum Krankenhauszimmer ihrer Schwester Grace, das erste Mal, da sie eintreten musste, in dem Wissen, dass keine Hoffnung bestand. Die Tür zum Büro ihres Oberst an dem Tag, an dem sie ihm mitteilte, dass sie den Dienst quittieren würde, um das Priesterseminar zu besuchen. Die Tür zwischen Sakristei und Kirchenschiff, durch die sie getreten war, um ihre erste Eucharistie als Pastorin von St. Alban’s zu feiern.
    Die Tür zu Margy Van Alstynes Haus.
    Okay. Sie würde Margy ihr Beileid aussprechen und fragen, ob sie etwas tun konnte. Natürlich nur, falls Margy ihr nicht einfach die Tür ins Gesicht knallte. Sie holte tief Luft. Die eisige Luft brannte in ihren Lungen, und sie hustete.
    Die Tür ging auf. »Wollen Sie reinkommen, oder möchten Sie dort stehen bleiben, bis Ihre Füße festfrieren?«
    Hm, so formuliert … Clare stieg die flachen Granitstufen hoch und wischte ihre Stiefel am Türpfosten ab. Margy hielt ihr die Tür auf, damit sie an ihr vorbeigehen konnte. Die

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