Wer Mit Schuld Beladen Ist
nach Russ Van Alstyne. Chief Van Alstyne, falls Sie diese Nachricht erhalten: Es ist äußerst dringend, dass Sie Kontakt zu mir aufnehmen. Ich muss Sie so schnell wie möglich sprechen, um das weitere Vorgehen in diesem Fall zu diskutieren. Bitte rufen Sie mich im Revier oder auf meinem Handy an. Die Nummer lautet 518 555 1493.«
Vorsichtig atmete er aus. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er die Luft angehalten hatte. Sie arbeitete schnell.
Er klickte auf FORTFAHREN. Noch eine CD, dann war er weg. Wenn er Jensen wäre, würde er Streifenwagen losschicken, um ihn an den wahrscheinlichsten Orten zu suchen. Sein Haus. Moms Haus. Janets Farm. Alle Adressen waren mühelos in seiner Personalakte zu finden.
Während er den Reißverschluss seines CD-Halters öffnete, dachte er über seine Optionen nach. Er konnte die Stadt verlassen, sich ein Internetcafé in Saratoga suchen und die Dateien prüfen. Natürlich wäre das eine ziemlich blöde Idee, wenn sie ihn zur Fahndung ausgeschrieben hatte. Ein öffentlicher Ort war riskant. Er brauchte einen Platz, an dem er nicht gefunden oder gestört wurde, bis er Gelegenheit gehabt hatte, die Megabytes an Informationen zu sichten, die er aus Lindas PC kopiert hatte. Er brauchte eine Zuflucht.
SPEICHERKAPAZITÄT ERREICHT. BITTE LEGEN SIE EINE NEUE CD EIN UND DRÜCKEN FORTFAHREN.
Ihm blieb nicht mehr genug Zeit, um weitere Dateien herunterzuladen. Er musste darauf hoffen, alles zu haben, was er brauchte. Er entfernte die CD, klickte auf ABBRECHEN und fuhr den PC herunter.
Zuflucht. Was wäre besser geeignet als eine Kirche?
21
C lare wusste, dass sie in Schwierigkeiten steckte, als sich die Anzahl der Besucher der 7:30-Uhr-Messe verdoppelte. Zugegeben, es ließen sich nur vierzehn Leute blicken, doch das waren sieben mehr als die übliche Gruppe: ein Geschäftsmann auf dem Weg zur Arbeit in Saratoga, eine junge Mutter, die es sonntags nicht schaffte, und fünf Rentner, die sich nie für die modernisierte Ausgabe des Gebetsbuches der anglikanischen Kirche hatten erwärmen können.
Einige der Leute in den Bänken kannte Clare nicht einmal. Das beunruhigte sie. Doch wenigstens befand sich Elizabeth de Groot nicht unter ihnen. Gelobt sei Gott.
Nathan Andernach, der ihr assistierte, beendete die Fürbitten und warf ihr einen Blick zu. Sie trat vor. »Ihr, die ihr aufrichtig eure Sünden bereut«, predigte sie, »und in Liebe und Wohltätigkeit mit euren Nächsten lebt und ein neues Leben in Unterwerfung unter die Gebote Gottes beginnen und fortan auf seinem heiligen Pfad wandeln wollt, tretet näher im Glauben und nehmt dies heilige Sakrament zu eurem Trost, kniet voller Andacht und bekennt euch demütig zu Gott, dem Allmächtigen.«
Die drei Leute, die sie nicht kannte, blieben noch eine Sekunde lang unbehaglich stehen, während alle Übrigen niederknieten. Clare wartete einen Moment, ehe sie mit dem allgemeinen Sündenbekenntnis begann.
»Allmächtiger Gott«, betete sie, und die anderen Stimmen fielen ein, »Vater unseres Herrn Jesus Christus, Schöpfer aller Dinge, Richter aller Menschen; wir bekennen und beklagen unsere mannigfaltigen Sünden und Bosheit …« Sosehr Clare auch die einfacheren Satzkonstruktionen und die eher geschlechtsneutrale Sprache der modernen Eucharistie schätzte, das Sündenbekenntnis war in ihren Augen ein Rohrkrepierer. »Es tut uns ehrlich leid, und wir bereuen demütig« klang wie die Entschuldigung bei einer Politesse. Das alte Sündenbekenntnis war von Männern geschrieben worden, die wussten, wie es war, schlimme Dinge getan zu haben. »Wir bereuen aufrichtig und bedauern von Herzen diese unsere Missetaten; das Wissen darum ist uns bitter; die Last ist nicht zu ertragen.«
In der Tat.
Sie erteilte die Absolution, während sie sich darauf konzentrierte, die Stimme in ihrem Hinterkopf zum Schweigen zu bringen, die darauf bestand, dass sie wohl kaum geeignet war, Sünden zu vergeben. Dankbar verlor sie sich im Ritual der heiligen Kommunion, das Waschen der Hände, der Segensspruch; das weiße Linnen, das rote Buch. Hier spürte sie nie den Stachel der Unzulänglichkeit. Dies war Gottes Wunder, nicht das ihre.
Andernach, dessen schmale Brust einen glockenhellen Bariton barg, sang die erste Stimme der Kommunionshymne. Sie war tief, einfach zu singen, die Melodie eine melancholische französische Weise aus dem siebzehnten Jahrhundert. Clare, die vor dem Altar stand, sang nicht mit, sondern lauschte mit gesenktem Kopf dem düsteren mystischen
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