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Wer Mit Schuld Beladen Ist

Wer Mit Schuld Beladen Ist

Titel: Wer Mit Schuld Beladen Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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eintritt. Oder ich denke mir etwas aus, wie ich sie umgehen kann, und mache mit den Ermittlungen weiter. Ich habe Angst, dass sie alle übrigen Indizien nicht mehr beachtet, wenn ihr die Vorstellung von mir als Täter gefällt.« Er schwieg. Draußen veränderte sich das Licht. Ein bisschen weißer, weniger hell, als würde Eis den Himmel bedecken. Weiterer Schnee war im Anzug.
    »Wie lautet die dritte Möglichkeit?«
    »Ich könnte mir die Waffe in den Mund stecken.«
    »Darüber macht man keine Witze.« Lyles Miene war todernst.
    Russ hob die Hand, um zu zeigen, dass sie leer war. »Tut mir leid.«
    »Ich glaube, sie wird annehmen, dass du ihr einen Kampf Mann gegen Mann liefern willst.« Lyle nahm Russ’ Frage wieder auf. »Sobald sie sich auf dich als Hauptverdächtigen festgelegt hat, muss sie davon ausgehen, dass du alles tun wirst, um deinen Arsch zu retten. Vielleicht, indem du sie zu einer Machtprobe ins Büro des Bürgermeisters schleifst, während wir in der Zwischenzeit die Akten vernichten oder ein paar neue Indizien fälschen, die auf einen anderen Täter hinweisen.«
    Russ dachte ein paar Sekunden nach, dann stieß er sich vom Fenster ab. »Ich möchte, dass du zwei Dinge für mich tust.«
    »Okay …« Lyle klang vorsichtig. »Was?«
    »Ich will, dass du mir die Meldedaten für das Kennzeichen des Autos besorgst, das der Junge der Traceys vor meinem Haus gesehen hat. Doch vorher möchte ich noch, dass du in der Einsatzzentrale einen Unfall hast.«
    »Einen was?«
    »Nimm einen Kaffee oder einen von Harlenes Strudeln und verschütte alles auf den Boden. Es muss eine richtige Sauerei geben, und du musst dafür sorgen, dass jeder auf dich aufmerksam wird.«
    »Und in der Zwischenzeit wirst du was genau tun?«
    »Aus Dodge verschwinden.« Er konnte sehen, wie die Frage im Verstand seines Deputy Gestalt annahm. »Es ist besser, wenn du nicht mehr weißt. Glaubwürdige Bestreitbarkeit und so weiter. Wenn du die Meldedaten hast, hinterlass eine Nachricht auf meinem Handy.«
    »Eine Nachricht hinterlassen.«
    »Ich werde auch nicht jünger. Vielleicht vergesse ich, es einzuschalten.«
    »Aha.« Lyle stemmte sich vom Stuhl hoch. »Wir beide verfügen zusammen über rund fünfzig Jahre Polizeierfahrung, und jetzt schau uns an. Wir schmieden Verschwörungspläne wie ein Pärchen Möchtegern-James-Bonds.« Er grinste schief. »Gefällt mir.« Er streckte die Hand aus. »Viel Glück, Russ.«
    Er ließ die Bürotür offen, nachdem Lyle gegangen war, und lauschte, als sein Deputy Chief Harlene mit lauter Stimme fragte, ob es »irgendwas Gutes« in der Küche gäbe. Natürlich gab es das, da Harlene während der Wintermonate geradezu zwanghaft buk und die daraus resultierenden Zuckerbomben mit zum Dienst brachte, damit ihr Mann Harold, der an Diabetes Typ II litt, nicht der Versuchung erlag.
    Russ zog seinen Mantel an und wickelte sich seinen alten karierten Schal um den Hals.
    Er hörte Harlenes Frage: »Soll ich dir dabei helfen?« und Lyles Weigerung.
    Russ verstaute seine Handschuhe in den Manteltaschen. Sah sich im Büro um. Musste er noch etwas mitnehmen?
    Das Krachen und Splittern aus der Einsatzzentrale erschreckte sogar ihn. Er hörte Harlenes Stuhl quietschen, rollen und gegen ihre Aktenschränke prallen. Er warf einen Blick durch den Türspalt und sah sie gerade noch in Richtung des Lärms verschwinden, der sich aus lauten Flüchen, Gebrüll von jemandem, dessen Uniform ruiniert worden war, und Kevin Flynns hysterischem Gelächter zusammensetzte.
    Er trat hinaus in die Funkzentrale, schloss die Tür hinter sich und verließ unbemerkt und ungehört das Gebäude.

20
    A ls Russ in seinem roten Pick-up vom Revier wegfuhr, hätte er Schuldgefühle verspüren können, Zorn oder Panik. Er vermutete, dass jedes dieser Gefühle angemessener gewesen wäre als das beinah schwindelerregende Gefühl, davongekommen zu sein. Vielleicht besaß nach so vielen Jahren auf dem Pfad der Tugend der Aufenthalt auf der falschen Seite des Gesetzes eine gewisse wilde Anziehungskraft. Das würde auch vieles an seiner Beziehung zu Clare erklären.
    Der Gedanke an sie dämpfte seinen Übermut, und die erste Straße nach links, die aus der Stadt hinaus und zu seinem Haus führte, löschte ihn aus. Die Vorstellung, dorthin zurückzukehren, verursachte ihm ein weiteres Mal Übelkeit. Er würde das Haus verkaufen müssen oder, noch besser, niederbrennen und einen Scheiterhaufen seiner Ehe daraus errichten. Getötet von einem Fremden und

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