Wer Mit Schuld Beladen Ist
seiner Untreue.
Er fuhr durch die Außenbezirke der Stadt in das Farmland, das von Osten her stetig anstieg, bis es im Westen gegen die Berge stieß. Mittlerweile hatte sich der Himmel zugezogen, die eisfahlen Wolken eine bleierne Färbung angenommen. Ihm wurde bewusst, dass er seit drei Tagen keine Nachrichten und keinen Wetterbericht mehr gehört hatte. Er schaltete den Nachrichtensender ein, um die Neun-Uhr-Schlagzeilen zu erwischen. Krieg, ein Helikopterabsturz in Afghanistan, terroristische Zellen in den USA und ein rekordverdächtiges Haushaltsdefizit. New England feierte die Patriots, die es in die Super Bowl geschafft hatten. Der nördliche Landesteil durfte in den nächsten vierundzwanzig Stunden mit einem langsam aufkommenden Sturm rechnen, der weitere zwanzig Zentimeter Schnee bringen würde. Die anschwellende Erkennungsmelodie der Dr.-Adele-Show erklang gemeinsam mit der Stimme der Psychologin, die ihm verriet, dass die heutige Sendung für all jene Frauen war, die keine Freude am Sex empfanden, weil sie sich ihrer Körper schämten.
Himmel. Er drehte das Radio ab. Wenn er nicht vorher schon deprimiert gewesen wäre, dann war er es auf jeden Fall jetzt.
Die Peekskill Road war leer. Keine Spuren von Leben um die großzügigen Farmhäuser, abgesehen von den Rauchfahnen, die aus jedem Schornstein stiegen, außer seinem eigenen. Und dem der Andersons, seinen Nachbarn zur Linken. Er runzelte die Stirn. War den alten Leuten etwas – nein, alles in Ordnung. Sie waren nach Arizona gereist.
Auch gut. Er wollte ohnehin keine Zeugen, falls Investigator Jensen die Runde machte und Fragen stellte.
Er fuhr die Zufahrt hoch und parkte vor dem Scheunentor. Er stieg aus, schob es auf, setzte sich wieder hinters Steuer und bugsierte seinen Truck hinein, neben Lindas Kombi.
Er griff nach seinem flexiblen CD-Halter und quetschte sich aus der Fahrertür, automatisch darauf bedacht, keine Kratzer in dem Volvo zu hinterlassen, und schob das große Tor wieder zu. Auf dem vereisten Pfad zur Küche hielt er inne und wandte sich stattdessen zum Haupteingang. Sich durch den Schnee zu kämpfen war ein geringer Preis dafür, nicht den Raum betreten zu müssen, in dem seine Frau …
Er konzentrierte sich mit aller Macht auf das Aufschließen der Tür. Im Innern des Hauses war es so kalt, dass er seinen Atem sehen konnte. Entweder hatte einer der ermittelnden Beamten die Heizung abgedreht, oder sie hatten kein Öl mehr. Es roch durchdringend nach Katze, und er erinnerte sich, dass Eric McCrea ihm von dem neuen Haustier seiner Frau erzählt hatte und davon, wie es im Haus gefangen gewesen war, nachdem sie …
Ihm wurde bewusst, dass diese verdammte Katze vermutlich ein Mordzeuge war. Nicht, dass ihm das irgendwas nützte.
Er eilte in Lindas winziges Büro, wobei er so wenig wie möglich nach rechts und links sah. Er ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen und schaltete den PC ein, in der Hoffnung, dass die Kälte dem Gerät nicht geschadet hatte. Der Computer fuhr blinkend hoch, und er wandte sich dem Stapel leerer CDs zu, die sie immer bereithielt. Er legte eine ins CD-Laufwerk, öffnete das entsprechende Programm und begann, die Daten herunterzuladen.
E-Mails, Worddokumente, Tabellen, Fotos. Da er nicht wusste, was nützlich war, kopierte er alles. Browser, Websites, Faxprogramm, Mediaplayer. Er brauchte drei CDs, dann vier. Während der PC die Daten kopierte, blätterte er noch einmal durch Lindas Unterlagen, suchte nach Ungewöhnlichem, nach etwas, das in eine bestimmte Richtung wies.
Auf dem Monitor erschien eine Nachricht. SPEICHERKAPAZITÄT ERREICHT. BITTE LEGEN SIE EINE NEUE CD EIN UND DRÜCKEN FORTFAHREN. Er öffnete das Laufwerk, nahm die CD heraus und ersetzte sie durch eine neue.
Das Telefon klingelte.
Er erstarrte. In der Stille zwischen den Klingeltönen schloss sich das Laufwerk mit einem weichen Klicken.
WOLLEN SIE FORTFAHREN?, fragte der PC.
Er angelte sein Handy aus der Tasche und schaltete es ein. Wieder klingelte der Festnetzanschluss. Sein Handy erwachte zum Leben. Die Handyfunktion für Empfang und Akku wurde aktiviert. Wieder klingelte der Festnetzanschluss. Das Handy schrillte. Auf dem Display stand: 2 ANRUFE IN ABWESENHEIT. Er drückte die Menütaste. Die Anzeige listete die Anrufe auf, die er verpasst hatte. Beide vom Revier.
Der Anrufbeantworter sprang an, und er hörte seine eigene Stimme, die den Anrufer bat, Namen und Nummer zu hinterlassen.
»Hier spricht Jensen vom BCI auf der Suche
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