Wer Mit Schuld Beladen Ist
Der Volvo, den er geklaut hat, ist gut versichert.«
»Falls ich den Kerl in die Finger kriege, sollte er lieber beten, dass seine Krankenversicherung gut ist.«
Russ holte sein Handy aus der Tasche. Zumindest musste er sich jetzt wegen eines Durchsuchungsbeschlusses keine Gedanken mehr machen. Er wählte die Nummer der Funkzentrale.
»Millers Kill Police Department.«
»Harlene? Hier ist Russ.«
»Chief! Wo haben Sie gesteckt? Ich telefoniere die ganze Zeit hinter Ihnen her!« Harlene senkte die Stimme. »Diese Tussi von der State Police hat sich aufgeführt, als wären Sie aus der Haft entflohen.«
»Ich bin auf der Bainbridge Road in Cossayuharie.« Er sah hinüber zur Farm der McAlisters. Zwei Menschen hasteten die lange Zufahrt hinunter.
»Von dort ist gerade ein Unfall gemeldet worden. Fahrerflucht. Ein Scotty McAlister hat ihn gemeldet. Kevin ist unterwegs.«
»Wir brauchen mehr Leute als Officer Flynn. Ich will ein Spurensicherungsteam in 840 Bainbridge Road. Das liegt von den McAlisters aus gesehen oben auf dem Hügel. Was den flüchtigen Fahrer betrifft, hat er einen Officer angegriffen und dessen Privatfahrzeug gestohlen.«
»Sie und Ihren?«
»Ganz genau. Ich will, dass er zur Fahndung ausgeschrieben wird. Männlich, weiß, schütteres Haar, schwarzer oder brauner Fu-Manchu-Schnurrbart. Mittleren Alters, durchschnittliche Größe. Er ist mit einem 1993er Volvo unterwegs, dunkelgrüner Kombi, New Yorker Kennzeichen RYF 3050. Kühler und Scheinwerfer sind beschädigt.«
»Alles in Ordnung bei Ihnen? Soll ich einen Krankenwagen schicken?«
»Mir geht’s gut.« Er hielt den Hörer vom Ohr weg. »Ethan. Wie geht es dir? Brauchst du jemanden, der sich um dich kümmert?«
»Nee«, erwiderte Ethan. »In Parris Island hat es mich schon schlimmer gebeutelt.«
Parris Island. Das erklärte immerhin den militärischen Haarschnitt. »Hier geht’s allen gut, Harlene. Wenn Sie die Fahndungsmeldung nach dem Mistkerl weitergeben, sorgen Sie dafür, dass auch darin steht, dass er zur Vernehmung in einem Mordfall gesucht wird.«
»Wird er?«
Die hastenden Gestalten erreichten die Straße. Ein Farmer in den Vierzigern, dessen Strickmütze ein rotes, wettergegerbtes Gesicht umrahmte, und ein kurvenreiches Mädchen in Ethans Alter, das sich in dessen Arme warf.
»Ich muss aufhören, Harlene. Ich erzähle Ihnen später alles.« Russ schaltete das Handy ab.
»Geht es dir gut?«, kiekste das Mädchen atemlos. »Daddy hat die Polizei angerufen. Ich habe alles gesehen. Er ist direkt in dich reingefahren! Ich schwöre, einen Moment lang dachte ich – ich hatte solche Angst …« Sie barg ihr Gesicht in Ethans Parka und schauderte auf eine Weise, die sich Russ’ Ansicht nach verdammt gut anfühlen musste, selbst durch zwei Lagen Unterwäsche und GoreTex. Ethans Wangen färbten sich rosa. Er war bemüht, seinen befriedigten Gesichtsausdruck etwas besorgter wirken zu lassen.
»Alles in Ordnung, Ethan?« Der Farmer ignorierte die Theatralik seiner Tochter und musterte den Jungen mit einem prüfenden Blick.
»Ja, Sir. Aber mein Auto hat er ganz schön erwischt.«
»Autos kann man ersetzen.« Der Farmer wandte sich stirnrunzelnd an Russ. »Sind Sie dafür verantwortlich?«
»Nein, Sir, er hat nix – nichts damit zu tun. Das ist Chief Van Alstyne, der Polizeichef.«
Der Farmer streckte eine behandschuhte Hand aus. »Scotty McAlister. Sie sind schnell. Ich habe gerade erst die 911 gewählt.«
»Ich war bereits hier. Der Mann, der Ethan gerammt hat, befand sich auf der Flucht.« Er deutete mit dem Daumen zum Nachbarhaus der McAlisters. »Was wissen Sie über Audrey Keane?«
»Audrey Keane?« McAlister wirkte überrascht. »Nicht viel. Sie ist vor ungefähr drei Jahren hierhergezogen. Das Haus hat nach dem Tod der alten Mrs. Williams ein Jahr lang leergestanden.«
»Lebt sie allein?«
»Ich glaube schon …«
Seine Tochter mischte sich ein. »Nicht mehr.«
»Das ist meine Älteste, Christy«, stellte McAlister vor. »Christy, du sollst nicht unterbrechen, wenn sich Erwachsene unterhalten.«
»Daddy!«
Russ hob die Hand. »Ich würde gern mehr hören. Du hast gesagt, Mrs. Keane würde nicht mehr allein leben?«
Sie nickte, ihre Wange rieb sich raschelnd an Ethans Jacke. »Ungefähr seit Oktober. Seitdem lebt da auch ein Mann. Zuerst hat er einen weißen, äh, Buick gefahren, dann habe ich ihn immer mit ihrem Auto gesehen.«
»Schütteres Haar? Schnurrbart?«
Sie nickte wieder.
»Weißt du sonst noch etwas
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