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Wer Mit Schuld Beladen Ist

Wer Mit Schuld Beladen Ist

Titel: Wer Mit Schuld Beladen Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Burns hatte definitiv mehr Klasse als die des Polizeireviers. Sir Paul McCartney hatte gerade die Stelle »something in the way she moves me« erreicht, als er von einem verärgerten Geoff Burns unterbrochen wurde.
    »Clare? Was, zum Teufel, wollen Sie? Heather hat mich aus einer Telefonkonferenz gezerrt. Was für ein Notfall?«
    »Die Staatspolizei hat den Fall Van Alstyne übernommen. Ihre Ermittlerin hält Russ im Polizeirevier in Gewahrsam und ist drauf und dran, ihn zu vernehmen.«
    »Gut. Vielleicht gesteht er ja und spart uns Steuerzahlern die Kosten eines Verfahrens.«
    »Geoff. Ich will, dass Sie rüberfahren und ihn vertreten.«
    »Ihn? Sheriff Matt Dillon? Den Typ, der glaubt, dass die einzigen Überlebenden nach der Bombe Kakerlaken und Anwälte sein werden? Deswegen habe ich einen Fall von Körperverletzung durch Schneemobil abgelehnt?«
    »Bitte, Geoff. Ich habe Sie noch nie um so etwas gebeten.«
    »Natürlich haben Sie das. Viele Male.«
    »Kirchenangelegenheiten zählen nicht. Ich meine für mich. Persönlich.«
    Langes Schweigen folgte. »Ich werde ihm keinerlei Rabatt gewähren.«
    »Der volle Gebührensatz«, stimmte sie zu. »Seine Mutter ist vermutlich bereits mit dem Scheckbuch in der Hand auf dem Weg zu Ihnen.«
    »Ist er schon verhaftet worden?«
    »Nein. Harlene Lendrum hat mir erzählt, dass Investigator Jensen zuerst seine Aussage will.«
    »Typisch faule Polizeiarbeit«, meinte Geoff. »Der Versuch, den Beschuldigten dazu zu bringen, sich selbst zu belasten. Ich bin unterwegs. Gibt es noch etwas Wichtiges, das ich wissen muss?«
    Sie zögerte. »Er ist überzeugt, dass seine Frau noch lebt.«
    »O Gott«, stöhnte Burns. »Ich warne Sie. Für Verrückte berechne ich mehr.«

30
    D icke Schneeflocken wirbelten vom bleiernen Himmel und schlugen gegen die Windschutzscheibe ihres Subaru, als Clare endlich das Schild entdeckte, nach dem sie Ausschau gehalten hatte: MILLERS KILL 8 MEILEN, FORT HENRY 11 MEILEN. Sie bog von der Route 9 auf die Sacandaga Road ab, die sich durch Ackerland und Waldparzellen schlängelte und den Hudson River zweimal querte, ehe sie sich am Fuß der Berge zusammenringelte und die Stadt am westlichen Rand erreichte.
    Ihr Weg führte sie an der Einfahrt zum Algonquin Waters Resort vorbei, der schmale Serpentinenweg wurde von Steinpfeilern und einem schwach erleuchteten, halb von Schnee verdeckten Schild gekennzeichnet, auf dem stand: WEGEN RENOVIERUNG GESCHLOSSEN. Ungefähr eine Meile weiter stand das Stuyvesant Inn, dessen greller viktorianischer Anstrich vom fallenden Schnee in geisterhafte Farben verwandelt wurde.
    Sie entdeckte die Abzweigung zur Old Route 100. Ein verbeultes blaugoldenes Schild verkündete, dass sie sich nun auf einer historischen Straße befand, doch sie musste nicht anhalten und lesen, um zu wissen, dass diese Straße unter ihren Reifen schon alt gewesen war, als Henry Hudson mit der Half Moon den Fluss hinaufsegelte, der seinen Namen tragen sollte. Der breite, bequeme Pfad führte die Irokesen zur Herbstjagd in die Berge und im Frühjahr zum Fischen an den Fluss. Kriegsparteien der Algonkin und Mohikaner, französischer soldats und britischer Infanteristen hatten ihn verbreitert und mit ihren Kanonen festgefahren. Als die Kanäle und Mühlen Geld in das Gebiet brachten, verwandelte er sich in eine befestigte Poststrecke, und als die Depression die Kassen leerte, wurde er von der WPA, der Arbeitsbeschaffungsbehörde, geteert.
    All das wusste sie, doch nicht von dem Schild – war sie je zuvor irgendwo gewesen, wo so viele historische Orte gekennzeichnet waren wie im Staat New York? –, sondern aus einem Buch, das Russ ihr gegeben hatte. Er liebte diese Gegend, ihre Geschichte und Geographie, ihr Wetter und ihre Jahreszeiten; ja, er liebte, obwohl er selbst dieses Wort nicht verwenden würde, sogar die Menschen, die er vor allem Bösen zu schützen versuchte.
    Quis custodiet ipsos custodes? Eine Redewendung aus ihrem dritten Jahr Latein. Durch das Schneetreiben entdeckte sie den Briefkasten der MacEntyres und blinkte. Wer bewacht die Wächter?
    Ich schätze, das wären dann du und ich, Herr.
    Das Haus, zu dem sie abbog, ähnelte vielen anderen an diesem Abschnitt der Old Route 100. Ein Fertighaus von komfortabler Größe, das aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Fundament des alten Hauses errichtet worden war, nachdem die Besitzer die Kosten einer Modernisierung der Heizung, Abwasserleitungen und Elektrik abgeschätzt und festgestellt hatten,

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