Wer Mit Schuld Beladen Ist
dass es billiger war, das alte Haus abzureißen und das neue aufzubauen. Farmer konnten sich keine Rührseligkeiten leisten. Auf der anderen Seite der Straße stand eine gut erhaltene Scheune wie eine Garnison, sicherlich dreimal so groß wie das Haus, hinter der sich Felder in das Schneetreiben erstreckten.
Sie parkte hinter einem Ford Taurus mit einem Aufkleber an der Stoßstange. MEIN KIND IST EHRENSCHÜLER DER CLINTON MITTELSCHULE. In der Heckscheibe klebte ein überaus muskulöser Minuteman, der einen Football umklammerte. Ihr ging auf, dass sie keinen Schimmer hatte, was sie zu den MacEntyres sagen sollte. Sie gehörten nicht zu ihrer Gemeinde; sie hatten nichts mit dem Beratungsdienst zu tun; sie hatte nicht vor, einen von ihnen zu trauen oder zu beerdigen. Sie wäre gar nicht hier, wenn die Polizei von Millers Kill nicht von der Ermittlerin der State als Geisel genommen worden wäre. Es wäre ein Wunder, wenn die MacEntyres sie nicht innerhalb einer Minute davonjagen würden.
Sie klingelte. Okay, Gott, ich hoffe, dir fällt was ein, mir nämlich nicht.
Die Tür öffnete sich. Eine braunhaarige Frau in Sweater und Jeans stand vor ihr und lächelte sie mit der reservierten Freundlichkeit an, mit der Menschen vom Land Fremden begegneten. »Hi«, sagte sie. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich hoffe«, erwiderte Clare. »Ich bin Clare Fergusson. Ich bin von St. Alban’s …«
Das Lächeln der Frau wurde dünner. »Vielen Dank, aber wir sind Baptisten.« Sie stand im Begriff, die Tür zu schließen.
»Bitte!« Clares Hand schnellte zum Türrahmen. »Ich will kein Geld oder Sie bekehren oder eine Unterschrift unter eine Petition. Ich bin wegen dem Mord an Linda Van Alstyne hier.«
»Was?« Die Frau runzelte die Stirn, doch sie öffnete die Tür ein wenig weiter.
»Sind Sie Aaron MacEntyres Mutter?«
»Ich bin Vicki MacEntyre, ja.« Sie musterte Clare einen Sekundenbruchteil, dann sagte sie: »Kommen Sie lieber rein, bevor wir die ganze Wärme rauslassen.«
Clare wischte sich den Schnee von der Jacke und trat hinein, auf eine geflieste Fläche, die Stiefel und Schuhe daran hindern sollte, den von Wand zu Wand verlegten Teppich zu verschmutzen, der den Rest des Wohnzimmerbodens bedeckte.
»Wie, sagten Sie, lautet Ihr Name?« Mrs. MacEntyre durchquerte das Zimmer und schnitt Oprah mitten im Satz das Wort ab, indem sie den großen Fernseher abstellte.
»Clare. Clare Fergusson. Ich bin eine Freundin von Russ Van Alstyne.«
»Dem Polizeichef?«
»Ja«, sagte Clare. Sie streifte ihren Parka ab und klemmte ihn unter den Arm. »Ein Freund Ihres Sohnes hat Russ berichtet, dass die beiden am Tag der Ermordung von Linda Van Alstyne einen Wagen in der Zufahrt der Van Alstynes stehen sahen. Ich habe gehofft, Ihrem Sohn wäre noch etwas aufgefallen.«
»Und Sie möchten mit Aaron sprechen?«
»Genau.«
»Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber wenn es sich um eine Mordermittlung handelt, warum sind dann keine Polizisten hier?«
»Die State Police hat den Fall übernommen. Im Augenblick verdächtigt man Russ, deshalb verfolgt niemand alternative Spuren.« Das war nicht ganz richtig – sie war überzeugt, dass jeder Polizist im Revier nach Alternativen suchen würde, sobald ihnen die Hände nicht mehr gebunden waren –, aber mit ziemlicher Sicherheit würde in nächster Zeit niemand bei den MacEntyres vorbeischauen.
»Und darum tun Sie das?« Vicki musterte sie von Kopf bis Fuß, Clares locker sitzendes schwarzes Velourskleid und den weißen Kragen. »Sind Sie Privatdetektivin oder so was?«
Clare fuhr reflexartig mit dem Finger über ihren Priesterkragen »Nein, ich bin Pastorin der Episkopalkirche.«
»Sie haben zu viele Folgen von Mord ist ihr Hobby gesehen, was? Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Warum ziehen Sie nicht die Stiefel aus und kommen mit in die Küche? Der Schulbus muss jede Minute eintreffen.«
Clare tat, wie geheißen. Die große Wohnküche war eindeutig das Nervenzentrum des MacEntyre-Haushalts. Jede Oberfläche, ob vertikal oder horizontal, war bedeckt mit Fotos, Listen, Zeitungen, schulischen Informationsblättern und Kalendern, übereinandergehäuft und gestapelt, geheftet und geklebt.
»Entschuldigen Sie die Unordnung«, sagte Vicki. »Ich habe nach Weihnachten geputzt, aber seitdem hatte ich keine Zeit mehr, irgendetwas in Angriff zu nehmen. Möchten Sie einen Kakao? Ich wollte gerade welchen für die Kinder machen.«
»Das wäre wunderbar, danke.« Clare bezog neben dem Kühlschrank
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