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Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

Titel: Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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andere Gesa als die aus Dettelbach. Dieter war Arzt, aber er war auch nicht mehr der Frischeste, immerhin hatte er in alten Zeiten genauso reingeleuchtet wie Helge. Während des Studiums. Zuerst Biologie, dann Medizin. Zwei Studiengänge, die sie mehr als ein Jahrzehnt Leben gekostet hatten.
    Und dann die Ehe mit Gerlinde. Seine Frau hatte ihn an die Bullen geliefert. War ihn erfolgreich losgeworden. Wahrscheinlich hatte sie das ganz geschickt eingefädelt, weil sie einen anderen heiraten wollte. Aber für Kinder war sie längst zu alt.
    Brennende Schadenfreude flutete Helges Magen. Das folgende Sodbrennen würgte ihn. Sein Herz hämmerte. Notgedrungen seine Geschwindigkeit zügelnd, stieg er matt die zahllosen Treppen zum Käppele hinauf. Wolken schoben sich vor die Sonne, und die gewölbten Schieferdächer der Kirche verschwammen mit dem sie umgebenden Wald. Auch die Stadt tief unter ihm schien sich unter ein Tuch aus Dunkelheit zurückzuziehen.
    Er, Helge, dagegen, er würde jemanden haben, der blieb, wenn er selbst das Antlitz dieser Erde verließ. Es stimmte vielleicht doch, was die Protestanten sagten: dass die vielen Engel und Apostel und Kreuze in Würzburg einen ganz meschugge machten. Er erreichte das Käppele. Niemand stand mehr auf dem Vorplatz. Die Kirche war noch offen. Er trat hinein. Die Mauern strahlten einen Geruch nach Weihrauch, Feuchte und Menschen aus. Eine Frau kniete in einer Bank ganz hinten. Sie murmelte vor sich hin. Helge schauderte.

    *

    Ein paar Tage später holte Dieter Helge ab. Sie fuhren nach Veitshöchheim, das war ja nicht weit.
    Â»Du warst wirklich nie dort?«, fragte Dieter.
    Â»Im Studium bestimmt nicht.« Ein Rokokogarten  58 . war nicht gerade die erste Anlaufstelle für einen Studenten. Und später hatte er nie die Gelegenheit gehabt. Interesse auch nicht.
    Helge starrte aus dem Fenster. Er war nicht mehr sicher, ob er die Antwort hören wollte. Ob er überhaupt einen Sohn haben wollte. Einen, den er im Suff gezeugt hatte mit Gesa, der Kellnerin mit den strammen Waden. Dann überlegte er, ob ein im Suff gezeugter Sohn nicht besser war als gar kein Sohn. Auch wenn er Veganer war, aber in dem Alter drehten sie ja alle durch. Helge erinnerte sich daran, wie er selbst mit langen, fettigen Haaren und zerrissenen Jeans umhergezogen war. Ein anderes Leben auf einem anderen Globus.
    Dieter parkte. Sie durchschritten die Gartenmauer und gingen auf das Lustschloss zu. Es war noch früh. Wenige Besucher schlenderten über die Wege oder suchten Schatten in den chinesischen Pavillons und unter dem grünen Dach der Laubengänge.
    Â»99,99 Prozent«, sagte Dieter.
    Helge versenkte die Hände in der Hosentasche. Die Sonne stach, er fing an zu schwitzen.
    Â»Dass er dein Sohn ist.«
    Okay, dachte Helge. Okay. Sie gingen an dem kleinen Sommerschloss vorbei zum See. Niemand, niemand konnte sich vorstellen, wie gerne er jetzt was trinken würde.
    Â»Hat sie geheiratet?«
    Â»Gesa? Nein, sie ist alleinerziehend.«
    Â»Was soll ich jetzt machen?« Helge sank auf eine Bank und starrte auf den See. Enten zogen ihre Kreise. Die Springbrunnen schwiegen. Ihm war heiß. Seine Kehle brannte vor Trockenheit. Er sehnte sich nach kühlender Gischt. Nach einem Glas klaren Schnaps. Vor sich sah er die Scheurebe im Römer funkeln, und Gesas stramme Waden stolzierten vor ihm auf und ab.
    Â»Alles in Ordnung?«, fragte Dieter.
    Gesas brauner Arm über der Handbremse. Ihre Hand auf seinem Knie.
    Dieter nannte Helge eine Adresse. Helge wischte sich über die Stirn. Die Springbrunnen erwachten zum Leben und spien ihre Fontänen ins gleißende Licht.

    *

    Er bezog Posten vor der Schule des Jungen. Versorgte sich in einem nahen Supermarkt mit einer Flasche Vio und wartete. Um eins tauchte Ludo auf dem Gehsteig auf. Allein. Alle anderen Burschen in seinem Alter nahmen die andere Richtung. Ludos Haar war lang, splissig, fettig. Er litt unter Akne.
    Er ist mein Sohn, dachte Helge und fragte sich zum hundertsten Mal, ob er etwas fühlen musste.
    Er fühlte nichts. Ludo sah ihm nicht ähnlich. Zumindest konnte Helge nichts feststellen. Er sah auch Gesa nicht ähnlich, aber vor Helges Augen verschwamm das bisschen Erinnerung an Gesas Gesicht. Er starrte auf Ludos Waden. Sie steckten unter zerfetzten schwarzen Jeans, deren Hosenbeine an den Knöcheln in Fransen ausliefen und über verdreckte Chucks hingen.
    Ludo

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