Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps
sein.«
*
Dann hatte Dieter losgelegt. Er hatte eine Patientin namens Gesa Passmeyer, ein ungewöhnlicher Name, und die hatte einen Sohn, Ludo, auch Passmeyer, und ob sich Helge an Dettelbach erinnere, jener Frühlingsausflug während ihres Studiums, das könne er doch nicht vergessen haben. Damals hatte es auch eine Gesa gegeben, eine Gesa Passmeyer, das wusste Dieter, weil er nämlich noch viele Male dort war, in jener Wirtschaft, Helge wüsste schon, mit seiner Frau und den Kindern, und er hatte Gesa wiedererkannt, aber sie ihn nicht. Sie hatte immer noch so muskulöse Waden und braune Arme und einen Sohn. Ludo eben. Wer hieà schon Ludo Passmeyer. Das Alter könnte stimmen, sagte er, jedenfalls tauchte Gesa mit dem Knaben bei ihm in der Praxis auf. Ihr Sprössling war Veganer, erklärte Dieter, einer, der keinerlei tierische Produkte aÃ, auch keinen Honig, keine Eier, nichts, und die Mutter war selbstverständlich besorgt, schlieÃlich sei Ludo ein Heranwachsender, und die futterten für drei, er, Dieter, konnte ein Lied davon singen, er hatte zwei Söhne.
Die Holzlehne der Kirchenbank drückte in Helges Rücken. Seltsam, er grübelte immer noch über die bischöflichen Mägen, Därme und Lungen, die hier unter den Grabplatten lagen. Seine Gedanken mochten sich nicht losreiÃen von dem eigentümlichen Verfahren, seine eigenen sterblichen Ãberreste an unterschiedlichen Orten zu bestatten, als könnte man so Bestand haben, als Mensch, als Person, als einzigartiges Wesen, das es kein zweites Mal im gesamten Universum geben würde.
Dieter redete und flüsterte und gestikulierte, und schlieÃlich stimmte Helge zu, einen Vaterschaftstest zu machen. Ludo, das magere Veganerbürschchen, würde morgen in die Praxis kommen, da könnte sich Dieter um die Einzelheiten kümmern, natürlich ohne Ludos Wissen und natürlich nur, wenn Helge das wollte.
Gesa war übrigens nur fünf Jahre älter als sie beide. Das wusste Dieter auch. »Und wir haben geglaubt, sie wäre schon Oma!«
*
Helge dachte, wenn es stimmte und er einen Sohn hätte, dann gäbe es wieder einen Menschen in seinem Leben, der ihm nahe wäre.
Gerlinde und er lebten in Scheidung. Ihm war nichts geblieben. Kein Job, keine Frau. Nicht mal der Führerschein. Er könnte, wenn er sich dahinterklemmte, versuchen, ihn wiederzukriegen. Es lag ihm nichts dran.
Anders war es mit den zwischenmenschlichen Beziehungen. Den Alkoholiker sah man ihm an. Das verlebte Gesicht, die ledrige Haut, sein durchdringender Körpergeruch stieÃen die Leute ab; niemand fühlte sich zu ihm hingezogen. Mit einer Frau würde es nichts mehr werden, damit musste er sich abfinden.
Gesa Passmeyer. Er hatte ihren Nachnamen nicht gekannt und sich nie für sie interessiert. Im Grunde war er sich nicht einmal sicher, ob er mit ihr geschlafen hatte, denn in dem Zustand, in dem er sich damals befand, war rein körperlich vermutlich nicht mehr allzu viel möglich gewesen.
Ludo. Wer nannte denn sein Kind Ludo.
Plötzlich wurde Helge wütend. Ein unglaublicher Zorn brannte in seinen Eingeweiden. Warum hatte Gesa ihm nichts gesagt? Er hätte sich um den Jungen und sie gekümmert. Selbstverständlich hätte er das getan! Wie konnte ihr Job als Kellnerin in einem Weinlokal ausreichen, um ein Kind zu ernähren und sich selbst dazu! Gesa hatte ihm die Chance genommen, ein anderes, ein besseres Leben zu führen. Er hätte nie getrunken, wenn er einen Sohn gehabt hätte. Hätte er nicht.
Helge sprang auf. Plötzlich schien es ihm unerträglich, nur dazusitzen, bewegungslos, im immerwährenden Zustand des Wartens. Er beschloss, einen Spaziergang zu machen. Rüber auf die andere Mainseite und hinauf zum Käppele 57 . Da gingen am späten Nachmittag nicht mehr so viele Leute hin. Er brauchte Ruhe. Und Bewegung. Seit er unter Dieters Aufsicht ein paar Mal mit dem Wattestäbchen durch seinen Mund geschrubbt war, saà er wie auf Kohlen.
Vaterschaftstest. Vier Silben, die wie Kolben in seinem Kopf stampften. Er überquerte die Alte Mainbrücke und lief im Zickzack, um den Touristen auszuweichen. Er hatte Angst. Je mehr Angst er bekam, desto dringender wollte er was trinken. Seine Wut brodelte. Auf Dieter, weil der ihn zu dieser Sache überredet hatte. Was ging Dieter das eigentlich an, ob er einen Sohn hatte! Vielleicht war seine Patientin eine
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