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Wer morgens lacht

Wer morgens lacht

Titel: Wer morgens lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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Großeltern, haben wir, wenn wir nicht im Kuhstall oder bei den Hühnern waren, die meiste Zeit im Wäldchen verbracht, das gleich hinter ihrem Kartoffelacker anfängt.
    Wir haben einen Einkaufskorb und zwei kleine Messer für Ricki und Jakob mitgenommen, Kevin und ich haben beide Taschenmesser. Bevor wir losziehen, markiert Kevin den Standort des Autos noch in seinem Handy mit der App Finde mein Auto . Nur zur Sicherheit, sagt er, ich habe einen guten Orientierungssinn, aber man weiß ja nie.
    Es ist ein Bilderbuchwetter und es ist ein Bilderbuchwald. Die Sonne scheint, das Laub fängt schon an, sich zu verfärben, auch wenn die verschiedenen Grüntöne noch vorherrschen und einen besonders schönen Hintergrund für Rickis rotblonde Haare bilden, die wie geschmolzenes Kupfer aufleuchten, wenn die Sonne darauf fällt. Wir gehen einen Pfad entlang, der tiefer in den Wald führt, das welke Vorjahrslaub raschelt und unter unseren Füßen knacken Zweige, Jakob stolpert über eine dicke Baumwurzel und Kevin kann ihn gerade noch halten, sonst wäre er gleich bei seinen ersten Schritten im Wald auf die Nase gefallen. Die Luft riecht nach Herbst, sie ist kühl und klar und streichelt mein Gesicht, aus der Erde steigt der Duft nach Moos und Moder und die Sonne kitzelt mich in der Nase, ich muss niesen. In den Bäumen zirpen und zwitschern Vögel, unter einer Buche liegen Bucheckern, und zwei Eichhörnchen jagen, als wir näher kommen, um den Baumstamm herum, als würden sie einander verfolgen, und schrauben sich höher und höher, bis sie vom Laub verschluckt werden.
    Für mich ist Wald Heimat, sage ich, ich bin am Wald aufgewachsen.
    Ich würde nie allein in den Wald gehen, sagt Ricki, für mich war Wald immer dunkel und undurchsichtig, ein Ort, an dem Gefahren lauern.
    Warum bist du eigentlich nicht Försterin geworden, wenn du den Wald so liebst?, fragt Jakob, Forstwirtschaft wäre doch naheliegend gewesen.
    Ich zucke mit den Schultern, ja, warum eigentlich nicht? Ich bin nie auf die Idee gekommen. Vermutlich bin ich einfach zu faul, ich mag keine körperlichen Anstrengungen, und wenn, dann nur freiwillig und solange ich Lust dazu habe, deshalb wäre auch Gärtnerin für mich nicht infrage gekommen. Für mich gab es immer nur die Biologie, ich arbeite lieber am Schreibtisch oder im Labor, schon als Kind habe ich von einem hellen, sauberen und gut eingerichteten Labor geträumt. Als ich zum ersten Mal eines im Fernsehen gesehen habe, wusste ich sofort, dass so etwas das Richtige für mich ist.
    Es weht ein leichter Wind, die Baumwipfel über uns rauschen und Sonnenflecken tanzen über die Erde, und ich bin auf einmal so glücklich, dass ich weinen könnte. Ricki greift nach meiner Hand und drückt sie.
    Da ist ein Pilz, ruft Kevin, ich habe einen Pilz gefunden. Er lacht und klatscht in die Hände, begeistert wie ein kleiner Junge, der vor Freude am liebsten einen Purzelbaum schlagen würde.
    Es ist ein Parasol, ein sehr schöner, noch nicht zu groß, er würde gut schmecken. Ich zeige Kevin, wie man den Pilz abschneidet und die Erdreste vom Stiel und vom Hut abkratzt, und er legt ihn stolz in den Korb, den er Jakob aus der Hand nimmt und von nun an trägt wie eine Trophäe.
    Wir finden neben Pilzen, die verdächtig oder uninteressant sind, auch essbare, zum Beispiel Braunkappen, bei denen ich ihnen den Unterschied zwischen Lamellen und Röhren erkläre, wir finden Stockschwämmchen, von denen wir allerdings nur die kleinen abschneiden, die anderen sind schon sehr dunkelbraun, und Ricki entdeckt einen taubenblauen Schleimkopf, der trotz seines ekligen Namens ein schöner Pilz ist und zu den guten Speisepilzen zählt.
    Bei Täublingen zeige ich ihnen die spröden Lamellen und die kräftigen Stiele und lasse sie ein Stück vom Hut abbrechen, probieren und ausspucken, wie Omi es mir beigebracht hat, und sage wie sie, wenn ein Täubling bitter schmeckt, ist er nicht essbar, aber milde Täublinge machen ein Pilzgericht besser. Es sind Frauentäublinge, die wir gefunden haben. Wir finden auch Boviste, natürlich, die findet man ja immer, und schneiden die jungen, weißfleischigen ab und legen sie in den Korb, der sich langsam füllt.
    Wir finden Kaiserlinge und Ziegenlippen, und dann entdecken wir auch drei grüne Knollenblätterpilze, die wir begeistert in die Erde stampfen, nachdem ich meinen aufmerksamen Zuhörern die Knolle und den Stiel gezeigt habe, der sich nach oben verjüngt, und die herabhängende Manschette, die

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