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Wer morgens lacht

Wer morgens lacht

Titel: Wer morgens lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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pechschwarzen Haaren, dass ich mich unwillkürlich fragte, ob sie gefärbt waren, vor allem, weil sie nicht zu seinen blaugrünen Augen passten, eine Farbe, wie ich sie noch bei keinem Menschen gesehen hatte. Er war nicht unansehnlich, auf eine gewisse Weise war er sogar attraktiv, aber er hatte etwas Wieselhaftes an sich, etwas, das zur Vorsicht mahnte, pass auf, Anne, komm ihm nicht zu nahe, sonst könntest du dir die Finger verbrennen.
    Im Gegensatz zu ihm war Django zwar groß, aber etwas dicklich, mit strähnigen, schulterlangen Haaren, ein Typ, der nicht viel redete, dafür umso mehr lachte, auch wenn es eigentlich nichts zu lachen gab, er lachte über jede Bemerkung, fing schon an zu lachen, wenn einer der anderen bloß den Mund aufmachte, und ähnlich freundlich war auch Rambo, sein Hund, eine salz- und pfefferfarbene Terriermischung mit einer schwarzen Schnauze und hübschen schwarzen Augen.
    Peggy, das einzige Mädchen der Gruppe, kam mir ein bisschen unterbelichtet vor, sie war es vermutlich auch, und sie wirkte, obwohl sie stark geschminkt war, vollkommen farblos, sie war der lebende Beweis dafür, dass auch schwarzer Kajal, ein dunkelroter Lippenstift und angeklebte Wimpern ein Gesicht nicht zwangsläufig ausdrucksvoller machen, starke Farbkontraste sind offenbar nicht alles. Ich nehme an, dass ich, wären die anderen nicht gewesen, nie auch nur ein Wort mit ihr gesprochen hätte, sie war einfach nicht mein Typ.
    Und Marco? Er war schön, man kann es nicht anders sagen, er war braunhaarig, braunäugig und braunhäutig, jemand, der überall die Blicke auf sich gezogen haben würde, egal wo er war. Er hatte etwas Geheimnisvolles an sich, ich musste immer wieder verstohlen zu ihm hinschauen, zu diesem hochmütigen Gesicht mit den schmalen braunen Augen, der geraden Nase und den geschwungenen Lippen, um die ihn jedes Mädchen beneidet hätte, ebenso wie um seine langen Wimpern, die garantiert nicht angeklebt waren. Er hatte einen flaumigen Dreitagebart, der ihn zugleich herausfordernd männlich und ungeheuer verletzlich aussehen ließ und mich an die frisch geschlüpften, gelbflaumigen Küken erinnerte, die mir die Bodenmais-Oma immer in die offenen Hände gesetzt hatte, ich meinte wieder das klopfende Leben unter dem Flaum zu spüren, und in mir stieg die Rührung auf, die ich jedes Mal bei einem neugeschlüpften oder neugeborenen Tier empfunden hatte, bei jedem Kalb, bei jedem Ferkel, auch bei den kleinen Katzen, die noch blind waren, als die Bodenmais-Oma sie uns hinten in der Scheune gezeigt hatte.
    Manchmal trafen sich unsere Blicke, meine und Marcos, dann wandte ich schnell das Gesicht zur Seite, konnte aber nicht verhindern, dass mir das Blut verräterisch in den Kopf schoss, was er bestimmt bemerkte, und nicht nur er.
    Einmal, als Peggy und ich ins Gebüsch gingen, weil wir pinkeln mussten, sagte sie plötzlich, ohne dass ich sie danach gefragt hatte, Marie war Marcos Freundin, sie waren ganz verrückt nach einander, keine Ahnung, warum es dann aufgehört hat, wer von beiden nicht mehr wollte.
    Ihre Stimme klang verschwörerisch, als hätte sie mir ein Geheimnis verraten, doch ich hörte auch Neid und Eifersucht heraus. Kein Wunder, dachte ich, denn dass sie in Marco verliebt war, merkte man an der Art, wie sie ihn ansah, an ihrer hohen, weichen Stimme, wenn sie ihm bei allem, was er sagte, beipflichtete, ja, das stimmt, Marco, du hast ja so recht, Marco, das finde ich auch, Marco. Aber darauf fiel er offenbar nicht rein, er behandelte sie mit fast verletzender Gleichgültigkeit, ähnlich wie er Djangos Hund behandelte. Ich konnte es mir auch nicht anders vorstellen, wenn er tatsächlich mit Marie zusammen gewesen war, konnte ihn ein so dummes Huhn doch wirklich nicht reizen.
    Als es dunkel wurde, verabschiedete ich mich mit einem kurzen Bye von ihnen, ohne dass wir uns für den nächsten Tag verabredet hatten, trotzdem wusste ich, dass wir uns wieder treffen würden und dass sie das ebenfalls wussten. Und so war es auch. Ich hing fast zwei Wochen mit ihnen herum, von morgens bis abends, wir hielten uns mal da, mal dort auf, aber meistens im Stadtpark.
    Wenn ich spätabends nach Hause kam, ließ ich das Gezeter unserer Mutter gleichgültig über mich ergehen, es war, als wäre ich in Maries Körper geschlüpft, als hätte ich jetzt nicht nur rote Haare wie sie, sondern wäre auch ebenso trotzig und provozierend, und mit diesem Verhalten entwaffnete ich unsere Mutter ebenso, wie sie es getan

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