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Wer morgens lacht

Wer morgens lacht

Titel: Wer morgens lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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hatte.
    Im Kuhstall traf ich Onkel Hans, der, wie unsere Mutter es einmal ausgedrückt hatte, zum festen Mobiliar des Hofs gehörte und auch ein testamentarisch verbrieftes Wohnrecht hatte, und mit einem mitleidigen Kopfschütteln hatte sie hinzugefügt, wo sollte er sonst auch hingehen, der arme Kerl, ich kann mir nicht vorstellen, dass er allein zurechtkäme, hier auf dem Hof geht es ihm doch gut.
    Uns, Marie und mir, hatte es nie etwas ausgemacht, dass er zurückgeblieben war, es war auch gar nicht so auffällig, zumindest fiel es uns nicht auf, wir kannten ihn nicht anders, und wir mochten ihn, weil er immer zu Späßen aufgelegt war und viel mehr lachte als der eher mürrische Onkel Karl und auch mehr als unser Vater. Er spielte mit uns Fangen und Verstecken, als wäre er selbst noch ein Kind, er setzte uns auf das Pferd, das erst vor ein paar Jahren an Altersschwäche eingegangen war, er brachte uns das Melken bei, und er hob uns oben auf den Wagen, wenn das Heu eingefahren wurde. Und er war ein schöner Mann, schöner als seine Brüder, er sah mit seinen braunen Locken, dem sonnengebräunten Gesicht und den auffallend blauen Augen viel jünger aus als sie, dem Aussehen nach hätte er eher ihr Sohn sein können als ihr Bruder.
    Onkel Hans stand im Futtergang und hielt Corinna auf dem Arm, Peters und Lenas kleine Tochter, ein hübsches, blondes Dingelchen, sie musste fünf Jahre alt sein, denn ich erinnerte mich daran, dass wir zu ihrer Taufe nach Deggendorf eingeladen waren und ich nur widerwillig mitgefahren war, weil ihre Taufe ausgerechnet auf Omis ersten Todestag gefallen war.
    Im Kuhstall war es dämmrig, deshalb dauerte es ein wenig, bis ich erkannte, welches Spiel sie spielten. Onkel Hans hielt Corinna auf dem einen Arm, mit der anderen Hand kitzelte er sie am Bauch und die Kleine kicherte laut. Im Kuhstall hing der vertraute warme Geruch nach Milch und Mist, den ich immer gemocht hatte, eine Kuh muhte lang und melancholisch, eine andere antwortete ihr, und ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss, weil mir plötzlich eine Szene einfiel, an die ich schon seit Jahren nicht mehr gedacht hatte.
    Onkel Hans hatte im Wohnzimmer auf dem Sofa gesessen und Marie auf dem Schoß gehalten, er kitzelte sie, sie lachte und kicherte, er wiegte sie wie eine Puppe und sie kicherte noch lauter. Er hatte einen Pickel am Hals, einen ekligen Eiterpickel, nur wenn er sich über Marie beugte und seine Haare nach vorn fielen, verschwand der Pickel. Onkel Hans ist der liebste Mann von der ganzen Welt, jubelte Marie, und unser Vater, der am Tisch saß, ein Bier trank und die Zeitung las, lachte irgendwie breit und sagte mit einem seltsamen, beunruhigenden Unterton, du fängst ja früh an, Marie, und zu Onkel Hans sagte er barsch, er solle das gefälligst lassen, für solche Spielchen sei Marie nun wirklich zu groß. Und ich hatte gedacht, aber ich wäre noch nicht zu groß, warum hat Onkel Hans nicht mich auf den Schoß genommen und gekitzelt, ich hätte mich doch auch gefreut, ich hätte doch auch gekichert und gelacht.
    Und noch etwas fiel mir ein, als ich ihn mit Corinna da stehen und lachen sah, die Buche, die Buche mit dem dicken Bauch.
    Wir entdeckten sie, als wir mit Onkel Hans Reisig sammelten, nicht in dem Wäldchen hinter dem Kartoffelacker, das ich in- und auswendig kannte, sondern in einem Wald weiter oben, auf der Bergkuppe. Ich weiß nicht mehr, wie alt ich damals war, bestimmt nicht sehr viel älter als Corinna jetzt, vielleicht sechs oder sieben. Wir halfen Onkel Hans mit dem Leiterwagen, Marie zog mit ihm zusammen die Deichsel, ich schob von hinten, und immer wieder blieben wir stehen, suchten abgefallene, trockene Zweige und luden sie auf den Wagen, und manchmal zog Onkel Hans mit einem Eisenhaken, der oben an einer Bohnenstange befestigt war, trockene Zweige direkt von einem Ast herunter, dabei mussten wir uns immer hinter Baumstämmen verstecken, damit wir nicht getroffen wurden. Und dann, am Rand einer Lichtung, stand er plötzlich vor uns, ein schwangerer Baum, eine Buche mit einem Bauch wie ein riesiger, grauschwarzer Blumenkohl. Marie und ich liefen hinüber und berührten den runzligen, warzigen Baumbauch, der nicht schwammartig weich war, wie ich erwartet hatte, sondern hart wie richtiges Holz.
    Da ist der schwarze Mann drin, sagte Onkel Hans, der uns mit dem Leiterwagen gefolgt war, er packte meine Hand und drückte sie so fest gegen die riesige, warzige Wölbung, dass meine Handfläche brannte

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