Wer morgens lacht
hatte der schwarze Mann keine Chance. So war sie gewesen, die Bodenmais-Oma, alles, was sie tat, war selbstverständlich, sie war so verlässlich wie der Kachelofen, der eine gleichmäßige Wärme ausstrahlte, und bis heute ist es so, dass ich, wenn ich das Wort behaglich höre oder lese, an die Bodenmais-Oma denken muss, und ich bin nachträglich dankbar dafür, dass ich eine solche Oma gehabt hatte. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn wir statt in Allach in Bodenmais gelebt hätten.
Im Jahr darauf war ich älter und größer geworden, und als wir in den Sommerferien kamen, hörten wir, dass die Buche zwei Wochen zuvor vom Blitz getroffen worden war, die mit dem dicken Bauch, sagte die Oma. Wir waren neugierig, wollten sehen, was in dem Bauch drin gewesen war, und Tante Lisbeth bot an, uns den Baum zu zeigen.
Wir liefen sofort los. Die Geschwulst war glatt durchgehauen, in zwei Teile gespalten wie ein Holzstück auf dem Hackklotz, mit schwarz verfärbten Schnittflächen. Der eine Teil des Baums, der mit der Krone, hing noch halb in den Nachbarbäumen, der andere ragte spitz zulaufend in die Luft wie ein riesiger, angekohlter Holzsplitter, wie ein warnend erhobener Zeigefinger aus Holz mit einem schwarzen Fingernagel. Wir liefen über die Lichtung und berührten misstrauisch den gespaltenen Bauch, der aus Holz war, nur aus Holz, das allerdings keine regelmäßigen Jahresringe aufwies wie ein durchgesägter Stamm, sondern ein unordentliches, kleinförmiges Muster, er sah eher aus wie ein durchgeschnittener Baumpilz. Tante Lisbeth packte uns an den Händen und zog uns von der Buche weg, nicht so nah hingehen, sagte sie erschrocken, niemand kann wissen, wann der Wipfel abstürzt, da könnte Gott weiß was passieren.
Du hast mich angelogen, sagte ich zu Hause zu Onkel Hans, im Buchenbauch war kein schwarzer Mann.
Er wischte meine Erleichterung mit einer Handbewegung fort und sagte, was willst du, das erzählt man kleinen Kindern, mir hat man das auch erzählt, du hast das doch nicht wirklich geglaubt, oder?
Nein, natürlich nicht, den schwarzen Mann gab es nicht, spätestens in jenem Sommer hatte ihn der Blitz erschlagen. Und während der Herbstferien, die wir wieder in Bodenmais verbrachten, stürzte der Baumwipfel beim ersten Sturm zu Boden. Seine Blätter waren schon lange vorher braun und verschrumpelt gewesen, während die Blätter der anderen Bäume gerade erst begonnen hatten, sich zu verfärben. Im Jahr darauf war dann der ganze Baum verschwunden, nur ein abgesägter, noch nicht nachgedunkelter Stumpf zeigte die Stelle, wo er einmal gestanden hatte, nun war der schwarze Mann endgültig tot, ich brauchte keine Angst mehr vor ihm zu haben.
Die Buche ist weg, sagte ich beim Abendessen.
Welche Buche, fragte die Bodenmais-Oma, sie schaute erstaunt zu mir herüber, ihre Gabel mit dem aufgespießten Fleischbrocken hielt auf dem Weg zum Mund inne, ein Tropfen Soße rann hinunter und fiel neben ihrem Teller auf die Wachstuchdecke.
Die mit dem Bauch, sagte ich.
Ach die, sagte die Bodenmais-Oma und schob das Fleisch in den Mund. Die wird jetzt irgendwo in einem Kamin brennen, die Leute sind scharf auf Buchenholz, Buchenscheite brennen länger als anderes Holz.
Doppelt so lang wie Fichte, sagte Onkel Karl.
Später erinnerte Marie mich noch manchmal an die Buche, weißt du noch, wie du Angst vorm schwarzen Mann gehabt hast? Das war echt komisch, du hast immer alles geglaubt, jeder hat dir den größten Mist erzählen können und du hast es geglaubt, du dummes Schaf.
Ja, du hattest recht, Marie, dachte ich, ich war ein dummes Schaf, zumindest war ich es früher, doch inzwischen bin ich älter geworden, älter und misstrauischer, aber vielleicht ist das eine ja bloß eine natürliche Folge des anderen.
Ich sah Onkel Hans an, ich sah Corinna an. Komm, Corinna, sagte ich und streckte die Hand aus, komm, wir gehen zu deiner Mama.
Die Kleine schüttelte den Kopf, und Onkel Hans machte keine Anstalten, sie abzusetzen, aber ich ließ mich nicht beirren, ich schaute ihm direkt in die Augen und sagte mit einer Stimme, die so hart war wie manchmal die Stimme meiner Mutter, lass sie runter, Onkel Hans, und du, Corinna, komm zu mir.
Er zuckte mit den Schultern und stellte die Kleine auf den Boden, sie griff folgsam nach meiner Hand und ließ sich aus dem Kuhstall über den gepflasterten Hof zur Küche führen. Ich wusste, dass Onkel Hans uns hinterherschaute, drehte mich aber nicht mehr um.
Wo warst du?, fragte
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