Wer nach den Sternen greift
Liebe, diese Gefahr besteht nicht.«
»Ich bin alles im Geiste noch einmal durchgegangen. Alle Gästezimmer sind hergerichtet worden, es sind frische Handtücher in den Badezimmern, wir haben Zahnpasta, Zahnbürsten und Seife. Die Zimmer sind gelüftet und die Betten frisch bezogen worden. Überall liegt neue Tischwäsche, und das Silber ist poliert. Das Personal weiß, wo die Gäste schlafen und wo ihre Dienstboten untergebracht sind. Neunzehn Leute für zwei Nächte zu beherbergen ist nicht einfach. Und wenn ich nun scheitere?«
»Ich habe nicht den leisesten Zweifel, dass die Jagd ein großer Erfolg wird.«
»Hier spricht ein wahrer Freund. Ich kenne diese Leute nicht und weiß nicht, worüber ich mich mit ihnen unterhalten soll, was ich zu ihnen sagen soll.«
»Genau dasselbe, was Sie auch zu Ihren amerikanischen Freunden gesagt haben.«
»Ach, das waren doch Albernheiten. Damals habe ich geflirtet und versucht, junge Männer zu beeindrucken.«
»Sie können sich mit den Gästen über Pferde und Hunde unterhalten, und wenn Ihnen die Themen ausgehen, können Sie sich immer noch darüber auslassen, wie schwierig es heutzutage ist, gutes Personal zu bekommen.«
»Das stimmt doch gar nicht.«
»Na ja, Sie haben vermutlich auch schon in Amerika nicht unter normalen Umständen gelebt.«
»Was soll das heißen, Scully? Bin ich etwa nicht normal?«
Scully klopfte seine Pfeife aus. »Sie sind zumindest nicht so wie jeder andere.«
»Kein Mensch ist wie der andere, Scully.«
»Ja, da haben Sie vermutlich recht.«
»Sie wissen, dass
sie
auch kommt, oder?«
Scully zögerte.
»Wer ist sie?«
»Mrs. Palmerton. Wissen Sie, wer die Palmertons sind?«
»Besitzt er nicht all diese Mühlen oben im Norden?«
»Ach ja?«
Scully trat ans Fenster. »Ja, ich weiß, wer die Palmertons sind. Haben Sie sie tatsächlich eingeladen?«
»Ich wollte sehen, wie sie ist. Ich hatte von Anfang an keine Chance gegen sie, wissen Sie. Oliver liebte sie schon, als er mich heiratete.«
Scully blickte sie an. Ihre Blicke trafen sich, und sie fragte sich, was er wohl dachte.
»Glauben Sie, Sie können Oliver von ihr losreißen?«
Seufzend sank Alex auf einen Stuhl. Sie überlegte einen Moment lang. »Ich weiß nicht. Ich will ihn nicht mehr. Er ist zu weit gegangen. Nein, ich will ihn ihr nicht wegnehmen. Ich will sie einfach nur sehen. Mir ist es egal, ob er mich noch liebt oder nicht. Als wir geheiratet haben, war ich auch nicht in ihn verliebt. Aber ich habe zumindest erwartet, dass er mir Gesellschaft leistet, mit mir reiten geht …«
»Jemand, der mehr mit Ihnen unternimmt als ich, meinen Sie?«
»O Scully, lieber Scully, das habe ich nicht gemeint. Mit Ihnen kann ich wunderbar ausreiten. Nein, ich dachte, dass mein Mann wenigstens gerne mit mir zusammen ist, obwohl, wenn ich es recht überlege, bei meinen Eltern war es auch nicht so.«
»Ihr Amerikaner seid viel romantischer als die Briten aus der Oberschicht. Der Adel heiratet aus politischen und finanziellen Gründen oder weil Ehen zwischen den Familien arrangiert werden …«
»So wie meine.«
»Genau. Und dann versuchen sie, außerhalb der Ehe ein wenig Liebe oder zumindest Vergnügen zu finden, benehmen sich jedoch in der Öffentlichkeit untadelig, als wenn es keinen Klatsch gäbe.«
»Wie deprimierend.«
»Aber Sie wirken gar nicht so unglücklich. Sie tun bewundernswerte Dinge und erreichen viel mehr als die meisten jungen Damen Ihres Alters. Sie sind nur jetzt im Moment ein bisschen deprimiert, weil der Herzog und Oliver zu Hause sind und Sie daran erinnern, wie einsam Sie sich fühlen.«
»Ich weiß nicht. Wenn ich nachts allein in meinem Bett liege, merke ich, dass mich niemand liebt, und dann fühle ich mich einsam.«
»Ja, aber Sie werden doch geliebt. Und wenn dieses Krankenhaus erst fertig ist, werden Sie noch viel mehr Menschen lieben. Sie werden Ihnen danken, weil Sie ihr Leben verändert haben.«
»Aber diese Tatsache legt nicht die Arme um mich und wärmt mich, damit ich mich nicht mehr so einsam fühle.«
Scully trat zu ihr und legte die Arme um sie. »So«, sagte er, »wenn Sie in den Arm genommen werden möchten, kommen Sie zu mir. Sie bedeuten mir viel, und das geht allen Leuten so, die Sie kennen. Sogar die Dienstboten lieben Sie, weil Sie nicht durch sie hindurchschauen, als ob sie unsichtbar wären. Sie wissen gar nicht, was Sie in anderen Menschen für Gefühle auslösen.«
Alex legte den Kopf an seine Schulter. »Ich fühle mich wohl
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