Wer nach den Sternen greift
darauf verlassen konnte, dass Hugh auf Lina aufpasste. Sie blickte auf ihre Uhr. O Gott, es war schon nach zehn.
Sie sank auf die Bettkante und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Lächelnd dachte sie, dass sie bestimmt zum Fürchten aussah. Körperlich allerdings fühlte sie sich hervorragend. Nie in ihrem Leben hatte sie sich lebendiger, mehr wie eine Frau gefühlt. Am liebsten hätte sie sich sofort wieder in Philippes Bett begeben und ihn geliebt. Morgen würden sie in New York ankommen, und dann wäre alles vorbei.
Aber deshalb hatte sie es ja getan, oder? Sie hatte mit einem hinreißend netten Mann geschlafen, den sie nie im Leben wiedersehen würde. Das war sie sich selbst schuldig gewesen. Sie war neunundzwanzig, und seit fast acht Jahren hatte sie kein Mann mehr berührt. Niemand hätte das für möglich gehalten, aber Philippe hatte ihr geglaubt. Er wollte alles über sie wissen. Er hatte ihr vom Tod seiner Frau erzählt und von dem Leben, das er jetzt führte. Er war im Vorstand des Familienunternehmens, hatte zwei brillante Schwestern, liebte seine Kinder und war im Grunde ein glücklicher Mann. Das war mehr, als sie über andere Männer wusste. Und sie hatte ihm bereitwillig von sich erzählt, vom Krankenhaus und Waisenhaus, von Clarissa, James und Ben, von der Gartenanlage, von der Geliebten ihres Mannes, von den Gründen für ihre Ehe.
Und er hatte sie geküsst und in den Armen gehalten, als ob alles, was sie ihm berichtete, für ihn das Wichtigste auf der Welt sei.
Wenn sie an ihn dachte, stand ihr Körper in Flammen.
Kopfschüttelnd ging sie ins Badezimmer. Sie hatte absichtlich keine Dienstboten mit auf die Reise genommen, noch nicht einmal das Kindermädchen. Sie wollte allein mit ihren Kindern Amerika erleben, ihnen die Freiheitsstatue zeigen, mit ihnen über den Broadway spazieren und in den Zirkus gehen. Vielleicht würden sie auch für ein paar Wochen nach Denver fahren, damit ihre Kinder die Rocky Mountains sehen konnten. Sie wollte mit ihnen den Yellowstone-Nationalpark besuchen, ihnen die Grand Tetons zeigen, ihnen die ganze Pracht des Kontinents vor Augen führen. Seit Monaten hatte sie die Reise schon geplant, und jetzt dachte sie nur noch an diesen Franzosen und seine Liebe.
Liebe? Das war doch sicher keine Liebe. Es war höchstens Verliebtheit, und zwar nicht in Philippe Renoir, sondern in den Mann, der ihren Körper erweckt und ihr das Gefühl gegeben hatte, sie sei wunderschön. Das durfte sie auf keinen Fall mit Liebe verwechseln. In einer einzigen Nacht voller Leidenschaft entstand schließlich keine Liebe.
Ob Philippe wohl schon wach war und an sie dachte? Ob ihm die vergangene Nacht wohl auch so viel bedeutet hatte?
Bis sie gewaschen und in ein gelb-weißes Leinenkleid geschlüpft war, war es nach elf. Sie würde sich jetzt erst einmal eine Tasse Kaffee besorgen.
Als sie in die Lounge trat, saß Philippe mit Hugh und Lina da und spielte mit ihnen Dame.
Hugh blickte auf. »Mr. Renoir hat uns ein neues Spiel beigebracht, Mama.«
Lina saß auf Philippes Schoß. »Ich darf auch mitspielen«, erklärte sie mit leuchtenden Augen.
Alex setzte sich auf die Armlehne von Hughs Sessel. »Ob ich hier wohl einen Kaffee bekommen kann?«
Philippe winkte einem Kellner und bestellte ihr einen Café au Lait.
»Woher wussten Sie, dass ich Milch nehme?«
»Weil Sie den Kaffee gestern so getrunken haben.« Ihre Blicke trafen sich, und er lächelte sie an, als ob sie ein Geheimnis teilten. Hugh machte einen Zug, und Philippe sagte anerkennend: »Gut gemacht!« Dann flüsterte er Lina zu: »Und wie sollen wir unseren Stein jetzt setzen?«
Lina dachte angestrengt nach, dann machte sie einen Zug. Philippe jubelte so laut auf, dass die Leute sich nach ihnen umdrehten: »Hey, du lernst ja schnell!«
Lina strahlte.
Ein Steward erschien mit einem Tablett und stellte es auf den Tisch nebenan. Alex setzte sich dorthin und trank ihren Kaffee, während sie Philippe und den Kindern weiter zusah.
Als das Spiel zu Ende war, standen die drei auf, und Hugh sagte: »Mr. Renoir hat uns eingeladen, mit ihm in den Zoo in der Bronx zu gehen.«
»Jetzt gleich?«
»O Mama.« Hugh lächelte.
Philippe erklärte: »Ich habe mir überlegt, dass meine Schwester und ich am Sonntag mit ihnen in den Zoo gehen könnten.«
»Ihr wart doch schon in London im Zoo«, wandte Alex ein.
»Ja, aber Mr. Renoir sagt, er bringt uns auch Französisch bei.«
»Dann kann ich über den Kanal fahren und so sprechen wie
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