Wer nach den Sternen greift
Louise: »Ich bin froh, dass wir Sie davon abhalten konnten, sich zum Kriegsdienst zu melden.«
»Ja, Gott sei Dank«, sagte Oliver inbrünstig und schloss die Augen.
Am nächsten Morgen rief Mr. Edwards’ Nichte an. Sie sagte zu Alex, sie habe gar kein Interesse an dem Haus an der Küste, und es sei ihr lieber, wenn ihr Onkel es verkaufte, damit sie sich ein größeres Haus kaufen könne. Sie würde ihn dann nur zu gerne aufnehmen und versorgen. Die beiden Frauen wurden sich rasch einig.
Louise las Oliver jeden Abend vor. Als gesunder Mann hatte er kaum gelesen, aber jetzt wartete er jeden Abend ungeduldig darauf, dass sie ihm nach dem Essen vorlas. Manchmal schlief er über ihrer beruhigenden Stimme ein, obwohl sie mit Begeisterung las. Sie war geduldig und fröhlich und sagte ihm immer wieder, dass sie ihn gerne pflege und dass sie im Schloss glücklicher sei als jemals zuvor in ihrem Leben. Es gab ja wohl keinen anderen adeligen Haushalt in ganz England, wo sie mit der Familie zu Abend gegessen hätte.
Wenn sie morgens in sein Zimmer trat, war er schon wach, und er begann, diese vierzigjährige Frau so zu sehen, wie sie wahrscheinlich noch keiner gesehen hatte. Für ihn war sie nicht farblos und langweilig. Eines Tages bat er sie sogar, auf ihre Schwesterntracht zu verzichten und ihre reguläre Kleidung zu tragen.
Zum ersten Mal in seinem Leben konnte Oliver lieben, ohne dass Sex im Spiel war. Er stellte fest, dass er diese Krankenschwester liebte, ohne sich je in sie verliebt zu haben, eine ganz neue Erfahrung für ihn. Begierig lauschte er auf jedes Wort von ihr. Sie erhellte sein Leben.
»Weißt du«, sagte Alex zu Clarissa, »ich habe große Achtung vor Oliver. Er beklagt sich nie. Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn ich mich nicht bewegen könnte.«
»Oh, meine Liebe, er zeigt es nur nicht. Aber ich bin auch überrascht.«
Seit Tagen schon waren die beiden damit beschäftigt, Bettwäsche und Handtücher aufzutreiben. Scully hatte die Idee gehabt, die kleine Bäckerei im Dorf anzusprechen und sie zu fragen, ob sie täglich hundert Brotlaibe beisteuern könnten.
»Unsere Backöfen sind nicht groß genug.«
»Haben Sie denn noch Platz für weitere Öfen?«, fragte Alex.
Das Bäckerehepaar beriet sich und stimmte zu, aber in Kriegszeiten war ein neuer Backofen schwer zu bekommen.
»Ich finde schon einen«, erklärte Alex, obwohl sie noch nicht wusste, wo sie überhaupt suchen sollte.
Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, dachte sie, es könne eine Nachricht von Philippe sein. Und Samstagsabend um acht Uhr kam dann schließlich der Anruf. Eine fremde Stimme verlangte die Herzogin und sagte nur: »Operation Polarstern hat begonnen.«
O Gott!
Alex informierte Scully und Louise und stellte ihren Wecker auf zwei Uhr. Sie schlief unruhig, weil sie ständig an die Kinder denken musste, die der Krieg so grausam von ihren Eltern trennte.
56
L ouise war noch keine sichere Fahrerin, deshalb begleitete sie Scully im Lieferwagen als Beifahrerin. Alex hatte auch Reginald in ihren Plan eingeweiht, und der Butler fuhr ebenfalls einen der Wagen. James, Ben und der Pfarrer folgten in ihren eigenen Autos.
Mr. Edwards war bereits ausgezogen. Alex hatte ihm angeboten, auch seine Möbel zu kaufen, so dass sie das Haus sofort übernehmen konnte. Zwei Stunden vor den anderen war sie bereits da. Sie hängte ein Blinklicht an die Veranda, das vom Meer aus zu sehen war. Sie hatte Decken und Handtücher für die Männer, die die Boote gesteuert hatten, mitgebracht, außerdem Kaffee und Eier und Speck. Wenn sie sich einen Tag lang hier ausgeruht hatten, konnten sie am nächsten Abend im Schutz der Dunkelheit zurückfahren. Sie lachte leise, als sie daran dachte, dass sie hier das Hausmütterchen spielte. Sie hatte sogar eine Pfanne und eine Kaffeekanne mitgebracht. Und Seife und Toilettenpapier. Ben hatte zusätzlich noch eine Flasche Whisky vorgeschlagen.
Alex saß im Dunkeln und beobachtete die schwankende Laterne. In zwei Stunden würde es dämmern. Sie blickte auf ihre Uhr, und als sie merkte, dass sie das alle zwei Minuten tat, sprang sie auf, zog sich ihren Mantel über und ging zum Strand. Die anderen waren bereits da und saßen in ihren Autos, um sich warm zu halten.
Als er sie näher kommen sah, sprang Reginald aus seinem Wagen und trat zu ihr. »Ich habe nachgedacht, Mylady«, begann er.
Alex nickte ermunternd.
»Mit so vielen Autos werden wie nie genug Benzin für die Fahrten
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