Wer nach den Sternen greift
Nähe von einem kleinen Park.«
»Oder einem Kino«, sagte er. »Große Bilder kann ich immer noch erkennen. Ich gehe gerne ins Kino.«
»Ja, sicher«, sagte Alex. Sie stand auf. »Ich rufe Sie heute Abend an, Mr. Edwards. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.« Sie streckte die Hand aus, und er schüttelte sie mit überraschender Kraft. »Vielleicht wollen Sie das Ganze ja mit Ihrer Nichte besprechen.«
Als sie wieder im Auto saßen, lachte Scully. »Sie sind eine großartige Lügnerin und Diplomatin zugleich.«
»Gehört das nicht zusammen? Ich finde seine Bilder aber wirklich ganz hübsch.«
»Aber sie sind nicht die Summe wert, die Sie ihm angeboten haben.«
»Nein, natürlich nicht. Aber mir war klar, dass er das Haus nicht verkaufen würde.«
»Das haben Sie aber schnell gemerkt.«
Alex lächelte. »Ja, das habe ich ehrlich gesagt auch gedacht.«
Sie lachten beide.
55
A lex legte sich hin und versuchte, in Gedanken noch einmal alles durchzugehen, was getan werden musste. Aber sie war noch nicht bis zu Punkt drei gekommen, als sie auch schon eingeschlafen war. Als sie um vier erwachte, ging sie in Olivers Zimmer. Vielleicht schlief er ja ebenfalls. Aber er war wach. Michael war bei ihm, saß an dem kleinen Tisch am Fenster und malte. Oliver beobachtete ihn dabei.
Sie zog sich einen Stuhl ans Bett heran und sagte: »Philippe Renoir war gestern Abend hier.«
Oliver blickte sie an.
»Er ist mit mir zur Küste gefahren. Er will mit einigen Freunden französische Kinder aus dem Land heraus- und in Sicherheit bringen. Und er will, dass ich, das wir ihm helfen.« Wenn in naher Zukunft Hunderte von Kindern sich auf dem Anwesen aufhielten, würde Oliver Bescheid wissen müssen. Zwar hatte er sich über das Waisenhaus damals sehr aufgeregt, aber jetzt würde er wegen des Krieges vielleicht bereitwilliger mitmachen.
Sie berichtete ihm von Philippes Plänen und von der Fahrt, die Scully und sie heute früh unternommen hatten. Er sagte nichts, aber sie merkte, dass er ihr aufmerksam zuhörte.
»Ich kann mir kaum vorstellen, was diese Eltern durchmachen müssen«, sagte Alex. »Unter solchen Bedingungen leben zu müssen, Angst um die Kinder zu haben und sie doch wegschicken zu müssen, ohne zu wissen, wann und ob sie sie jemals wiedersehen …«
»Warum schicken sie sie denn weg?«, fragte Michael.
»Damit sie in Sicherheit sind.« Alex stand auf und fuhr ihm mit der Hand durch die Haare. »Na ja, ich dachte, du solltest zuerst davon erfahren, bevor ich es beim Abendessen den anderen sage.«
Sie ergriff Mr. Edwards’ Gemälde, das sie mitgebracht hatte, zeigte es ihm und fragte: »Taugt das etwas?«
»Halt es bitte ein bisschen höher, direkt vor mich.« Oliver betrachtete es ein paar Minuten lang. »Ich weiß nicht. Es ist hübsch. Ein bisschen wie Winslow Homer, allerdings nicht so kraftvoll.«
»Wer ist das?«
»Ein Künstler, der ebenfalls das Meer malt. Also, Kunst ist das eigentlich nicht, aber es ist hübsch. Homer spielt allerdings besser mit dem Licht als dieser Mann. Wer ist er?«
Alex erzählte ihm von Edwards’ Haus und was für eine Geschichte sie erfunden hatte, um das Haus zu bekommen. »Allerdings ist es noch nicht sicher. Er muss es erst noch mit seiner Nichte besprechen. Wenn ich bis morgen früh nichts von ihm gehört habe, fahre ich noch einmal hin.«
»Wenn du sie nicht verbrennen willst, kannst du die Bilder immer noch in irgendeinem Zimmer hier lagern.«
»Wir werden wahrscheinlich alle verfügbaren Zimmer brauchen, wenn wir dreißig bis fünfzig Kinder im Monat bekommen.« Bis jetzt hatte sie noch keine Idee, wie sie alles instand halten sollte. Der Park sah jetzt schon vernachlässigt aus, da ihn nur noch ein alter Mann pflegte.
»In Caldwell ist eine Matratzenfabrik«, sagte Oliver. »Sie stellen wahrscheinlich Matratzen für die Armee her, aber du bräuchtest sie ja auch für einen Beitrag zum Krieg.«
»Oh, das ist eine gute Idee. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Ich frage mich sowieso, wo wir alles herbekommen sollen. Wir brauchen zum Beispiel Hunderte von Decken, Laken, Kopfkissen und Handtücher, ach du liebe Güte.«
Alex merkte Oliver an, dass sie ihn ermüdete. Sie erhob sich und fragte. »Brauchst du etwas?«
»Nein danke, du machst mein Leben so aufregend wie schon lange nicht mehr.«
Vor fünfzehn oder zwanzig Jahren wäre sie selig gewesen, so etwas von ihm zu hören, dachte sie.
»Gott verdammt«, hörte sie ihn sagen, als sie das Zimmer
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