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Wer nach den Sternen greift

Wer nach den Sternen greift

Titel: Wer nach den Sternen greift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bickmore
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mich hier umschaue, kann ich kaum glauben, dass auch Amerika im Krieg war.«
    Alex aß mit ihren Großeltern zu Abend. Frank war achtundachtzig und Annie fünfundachtzig Jahre alt, aber Alex hatte das Gefühl, die beiden hätten mehr Energie als sie. Sie war müde. Müde von sechs Jahren Krieg und seinen Auswirkungen. Auf dem Schiff, mit dem sie hierhergekommen war, hatte sie die ersten vierundzwanzig Stunden nur geschlafen.
    Sie hatte ihre Großeltern nicht mehr gesehen, seit England vor sieben Jahren in den Krieg eingetreten war. Lina und Michael hatte sie seit 1941 nicht mehr gesehen. Man stelle sich vor, die eigenen Kinder vier Jahre lang nicht zu sehen! Aber es gab viele Franzosen und Belgier, die ihre Kinder nie wiedersehen würden. Das war auch ein Grund, warum Alex nach Amerika gekommen war: Sie wollte die Kinder ausfindig machen, deren Eltern bereits nach ihnen suchten. Ihre Mutter hatte über alles Buch geführt. In den letzten fünf Jahren hatte sie sich mit Feuereifer diesem Projekt gewidmet.
    Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, um die Kinder wieder zu ihren Eltern zurückzuschicken, falls diese noch lebten, oder sie zur Adoption freizugeben. Alex hoffte, dass die Kinder in diesem Fall bei den Familien bleiben konnten, bei denen sie bereits untergebracht waren. Die Aufgabe, die sie zu bewältigen hatte, war groß, aber wenigstens war sie nicht so gefährlich wie während des Krieges. Frank hatte die Regierung überredet, einen ausgedienten Truppentransporter zur Verfügung zu stellen, mit dem die Kinder wieder nach Europa gebracht werden konnten. Alex vermutete, dass ihn das eine hübsche Summe gekostet hatte.
    »Was hast du vor, wenn du alle Kinder wieder zurückgebracht hast?«, fragte Annie.
    »Ich weiß noch nicht genau«, erwiderte Alex. »Das Schloss gehört jetzt rechtmäßig Michael, aber er möchte gerne Kunst studieren, deshalb werde ich wohl dort wohnen bleiben und alles in Ordnung halten. Scully ist ja nach wie vor mein Verwalter, und er wird es wohl auch noch einige Jahre bleiben. Viel älter als fünfzig kann er doch noch nicht sein. Er hat sich ja nur deshalb nicht freiwillig zum Militär gemeldet, weil wir ihn brauchten, um all die Kinder zu retten.«
    »Ja, und damit hast du allen ein gutes Beispiel gegeben. Lina möchte auch die Welt retten.«
    Alex lächelte. »Ich glaube, dazu hat sie die besten Möglichkeiten. Ich beneide sie darum, dass sie etwas bewirken kann.«
    »Glaubst du, du hättest nichts bewirkt?« Frank erwiderte das Lächeln seiner Enkelin.
    Alex drehte ihr Weinglas zwischen den Fingern. Sie trank einen Schluck, rollte ihn auf der Zunge und meinte: »Ich kann diese neuen kalifornischen Weine und die französischen wirklich nicht auseinanderhalten.«
    »Er ist übrigens von deiner Freundin.«
    »Ich weiß gar nicht, ob sie die Briefe, die ich ihr nach Philippes Tod geschrieben habe, jemals erreicht haben. Ich wollte ihr doch sagen, wie mutig er war.«
    Annie beugte sich vor. »Es geht mich ja nichts an, und du brauchst auch nichts zu sagen, wenn du nicht willst, aber du hast ihn geliebt, nicht wahr?«
    Alex traten die Tränen in die Augen. »Ja«, erwiderte sie leise. Entschlossen drängte sie die Tränen zurück und lächelte schwach. »Vor euch konnte ich noch nie etwas verbergen.«
    »Wir haben es uns schon gedacht, als er mit Lina auf dem Arm vom Schiff kam, damals, 1930, oder?«
    War es wirklich schon so lange her? Sechzehn Jahre? »Ja. Er hat mich dazu gebracht, dass ich dabei geholfen habe, Kinder zu retten. Er starb ein Jahr, nachdem er mit der Arbeit begonnen hatte. Immer wenn ich so müde war, dass ich glaubte, nicht mehr weitermachen zu können, dachte ich an ihn und wusste, ich muss.«
    »Ich hoffe, du ruhst dich jetzt ein paar Wochen lang aus«, sagte Annie.
    »Ja, das mache ich, Grandann. Es nützt ja niemandem, wenn ich erschöpft bin. Ich werde lange schlafen, und wir werden bummeln und ins Kino gehen. Vielleicht fahre ich auch für ein oder zwei Wochen nach Westbury.«
    »Dein Vater hat immer noch seine Pferde dort. Trefft ihr euch?«
    »Ich esse morgen Abend mit ihm.«
    »Verurteile ihn nicht zu sehr.«
    »Ihn verurteilen? O Grandpa, ich habe ihn immer schon verstanden. Ich weiß doch, wie Mama sein kann. In den letzten Jahren hat er mir regelmäßig geschrieben. Ich liebe ihn, auch wenn ich ihn eigentlich gar nicht richtig kenne.«
    »Es hat uns damals nicht gefallen, als deine Mutter ihn heiratete, aber wir haben ihn sehr liebgewonnen. Seit er deine Mutter

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