Wer nach den Sternen greift
gerade in eure Fußstapfen.«
»Nein, keiner von euch ist wirklich glücklich verheiratet.«
»Ich habe mich manchmal schon gefragt, ob wir vielleicht zu viel Geld haben«, sagte Alex.
Frank und Annie blickten einander an. »Sag das nicht, sonst glauben wir noch, es sei unsere Schuld. Arme Leute sind auch unglücklich.«
»Es ist nicht eure Schuld. Ihr habt eure Kinder liebevoll großgezogen. Es hat eben nur nicht auf uns abgefärbt.«
»Nein, das stimmt nicht, Alex«, sagte Frank. »Du verbreitest überall Liebe. Mach dich nicht klein.«
Annie beugte sich über den Tisch. »Meine Liebe, man muss geben, um etwas zu bekommen. Lina ist in dieser Hinsicht genauso wie du.« Sie blickte ihren Mann an. »Und vielleicht hat ja auch Sophie in den letzten Jahren etwas dazugelernt.«
»Ich habe das Gefühl, wenn Lina sich einmal verlieben sollte, dann wird es für immer sein, genau der Richtige.«
Alex lachte. »Dein Wunsch in Gottes Ohr. Hoffentlich hast du recht. Bei Michael habe ich übrigens ein ähnliches Gefühl. Das wäre doch zur Abwechslung mal etwas Schönes – zwei glückliche Kinder.«
»Ja«, erwiderte Annie. »Das ist eine schreckliche Frage, aber warst du erleichtert, als Oliver gestorben ist?«
Alex dachte einen Moment nach. Der Butler räumte die Teller ab und brachte ihnen ein Sorbet zum Dessert.
»Ich war Oliver in den letzten zwei Jahren seines Lebens näher als jemals vorher. Ganz abgesehen davon, dass es natürlich auch keine anderen Frauen mehr gab, glaube ich, wir haben unseren Frieden miteinander gemacht. Es war wohl sehr schlimm für ihn, dass er in seinem schrecklichen Gefängnis liegen musste und zum Nichtstun verdammt war. Nein, Erleichterung habe ich nicht verspürt. Aber ich war auch nicht unglücklich. Er wollte sterben. Das war kein Leben mehr.«
Annie erhob sich und sagte: »Sollen wir den Kaffee in der Bibliothek nehmen?«
»Ich rufe morgen den Verwalter in Westbury an und informiere ihn, dass du kommst. Der Pool ist beheizt, du kannst also zu jeder Jahreszeit draußen schwimmen.«
»Klingt himmlisch. Ich möchte mich nur ausruhen.«
Diese ruhigen Wochen im Sommer 1945, in denen sie nichts tat, als mit Lina durch den Wald zu spazieren und zu reden, sollten auf Monate hinaus die einzige Pause sein, die sie sich gönnen konnte.
61
E s gibt so viel zu tun auf der Welt, ich finde es wirklich frustrierend, dass ich erst in zwei Jahren als Ärztin arbeiten kann.«
Alex lächelte. »Du hast noch das ganze Leben vor dir. Ich beneide dich darum.«
»O Mama, auch wenn ich hundert Jahre alt werde, so viel wie du werde ich nie erreichen. Ich war damals das erste Baby, für das du ein Zuhause finden musstest, nicht wahr?«
Alex nickte.
»Clarissa hat mir die Geschichte oft erzählt.«
Alex und Lina lagen auf Liegen im sogenannten Sonnenzimmer von Sophies Wohnung. Auf dem kleinen Tisch zwischen ihnen standen zwei Gläser mit Eistee. »Ich habe nur getan, was getan werden musste.«
»Mama, du hast mir in den letzten Jahren sehr gefehlt. Ich hätte sehr oft deinen Rat gebraucht. Aber in dieser Zeit hat es mir sehr geholfen, dich bei deiner Arbeit zu unterstützen.«
»Ja, das große Problem ist jetzt, die Kinder wieder zu ihren Eltern zurückzubringen. Deine Großmutter hat allerdings schon einiges an Papierkram erledigt. Ich hätte nie gedacht, dass sie sich so engagieren könnte. Früher hat sie sich nur dafür interessiert, ob sie richtig gekleidet war, das Richtige sagte und zur Crème der Gesellschaft gehörte.«
»Ich glaube, sie hat gesehen, wie unglücklich du warst, und ihr ist auch klargeworden, wie unglücklich Grandpa immer war, und sie hat sich die Schuld daran gegeben. Was sie jetzt tut, macht sie glücklich. Sie versucht, dich nach Kräften in deiner Arbeit zu unterstützen, um vergangene Fehler wiedergutzumachen.«
Alex stützte sich auf einen Ellbogen und griff nach ihrem Glas. »Dafür, dass du so jung bist, hast du erstaunlich reife Ansichten.«
»Mama, vierundzwanzig ist nicht mehr so jung.«
»Das hat wohl etwas mit Einsteins Relativitätstheorie zu tun, oder?« Von wissenschaftlichen Zusammenhängen hatte Alex noch nie etwas verstanden.
»Du warst viel zu sehr damit beschäftigt, zu leben und Leben zu retten, um Zeit für dich selber zu haben.«
»Sieh dir nur Churchill an. Er nimmt sich sogar die Zeit für einen Mittagsschlaf. Und seine Gemälde sind wirklich schön. Jetzt hat er auch noch angefangen, Bücher zu schreiben. Er hat einfach für alles
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