Wer nach den Sternen greift
staunte immer wieder darüber, mit wie viel Energie und Selbstlosigkeit ihre Mutter sich dieser Aufgabe widmete.
Einmal hatte sie mit ihrer Mutter über Scheidung geredet, und zum ersten Mal hatte Sophie nicht geantwortet: »Was sollen die Leute denken?«
Stattdessen hatte sie gefragt: »Meinst du, ich sollte mich scheiden lassen?«
»Du hinderst Daddy daran, glücklich zu sein. Weil du verletzt bist, willst du ihm auch weh tun.«
»Ich bin gar nicht mehr verletzt. Bin ich wirklich so unfreundlich?«
Alex antwortete darauf nicht, sondern sagte: »Ihr lebt jetzt seit über fünfundzwanzig Jahren getrennt. Das weiß doch sowieso jeder.«
Sophie lächelte. »Ach, weißt du, es ist mir schon lange egal, was die Leute denken. Habe ich denn dein Leben ruiniert?«
Alex zuckte mit den Schultern. Das war Schnee von gestern. »Du hast deine Söhne gegen Daddy aufgebracht. Sie tun so, als gäbe es die Frau, mit der er zusammenlebt, gar nicht.«
Sophie seufzte. »Das war wirklich egoistisch von mir. Ich war nie eine gute Ehefrau, und ich war auch keine gute Mutter, nicht wahr?«
»Es ist nie zu spät«, erwiderte Alex.
»Zufriedenheit habe ich nur in der Arbeit mit diesen Kindern gefunden.«
»Das kann ich gut verstehen.«
»Aber du hast dein Glück auch als Mutter gefunden, nicht wahr?«
»Ja. Die Kinder haben mir immer viel Freude bereitet.« Alex’ Augen wurden dunkel beim Gedanken an Hugh. Der liebe Hugh, ihr Erstgeborener.
»Ich bin gerne Großmutter.«
»Ja, die Kinder mögen dich auch.«
»Das liegt daran, dass ich mich nicht in ihr Leben eingemischt habe. Als ich es einmal versucht habe, hat Lina mir gedroht, auszuziehen, und das hätte sie auch gemacht. Sie wäre auf der Stelle zu meinen Eltern gezogen.«
»Und was willst du jetzt machen?«
Sophie zuckte mit den Schultern. Sie läutete nach dem Mädchen und bat um eine Tasse Kaffee. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Heiraten wie Clarissa möchte ich jedenfalls nicht mehr.«
Alex konnte sich auch kaum vorstellen, dass jemand so eine eiserne Lady wie ihre Mutter heiraten wollte. »Ich bin eigentlich ganz gern allein. Niemand schreibt mir vor, was ich zu tun habe. Du Ärmste. Erst ich und dann auch noch dieser Ehemann.«
»Ich muss zugeben, dass ich mir zuerst schrecklich leidgetan habe, aber dann habe ich gemerkt, dass ich tun konnte, was ich wollte. So unglücklich war ich gar nicht, Mutter. Sieh es doch einmal so: Wenn ich glücklich verheiratet gewesen wäre, hätte ich mich nie in Philippe verliebt, und wir hätten nie all diese Kinder gerettet.«
»Ich musste immer an die Frauen denken, die uneheliche Kinder bekommen haben. Was du für sie getan hast, war genauso wichtig, wie all diese französischen Kinder zu retten. Diese Frauen wurden von der Gesellschaft so verächtlich behandelt, und ich habe beschlossen, stärker mit Planned Parenthood zusammenzuarbeiten. Frauen sollten das Recht haben, selber über ihren Körper zu entscheiden und auch darüber, ob sie Kinder haben wollen oder nicht.«
Alex blickte ihre Mutter erstaunt an.
»Weißt du, ich habe erst spät entdeckt, wie ausgeprägt meine organisatorischen Fähigkeiten sind, und die Leute bei Planned Parenthood sind der Meinung, ich eigne mich gut dazu, herumzureisen und den Leuten, die eine solche Organisation gründen wollen, Hilfestellung zu geben.«
Alex’ Augen leuchteten auf. »Wie Kansas City, zum Beispiel?« Sie lachte.
»Ja, hier in Amerika, aber auch in Indien und anderen Ländern der Welt.«
»Mein Gott, Mutter, das ist ja großartig!«
»Findest du?« Sophie lächelte. »Nun, ich habe auf jeden Fall in diesem Bereich schon mal meine Fühler ausgestreckt. Lina gefällt die Idee auch. Eigentlich hatte ich ja gedacht, dass ich mit fünfundsechzig zu alt dafür sei.«
»Ja, ich finde mich mit meinen fünfundvierzig Jahren schon zu alt.«
»Ach, meine Liebe, im Vergleich zu mir bist du ein Küken.« Sie lachten beide.
»Ich habe einfach das Gefühl, dass es nicht ausreicht, diese Kinder ihren Eltern zurückzugeben. Europa versinkt immer noch im Chaos. Kinder sind heimatlos, krank, verhungern. Natürlich kann ich mich nicht um alles kümmern, aber es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, wie manche Kinder in Europa leben müssen. Am liebsten würde ich jedes Einzelne zu mir nach Hause holen, aber das kann ich ja nicht tun.«
»Ach, mein liebes Kind, früher habe ich auf Frauen herabgeblickt, die schwanger wurden, ohne verheiratet zu sein. Ich dachte immer, sie seien
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