Wer nach den Sternen greift
war nach dem Krieg nicht mehr üblich. »Dann beginne ich also unsere Bekanntschaft mit einem Pluspunkt für mich?«
»Nun, Sie haben mich fasziniert, bevor ich überhaupt wusste, wer Sie waren. Mich hat schon lange niemand mehr quer durch einen Saal angestarrt.« Sie lachte.
»Möchten Sie mit mir tanzen?«
Sie ließ sich von ihm zur Tanzfläche führen. »Ich habe seit Kriegsbeginn nicht mehr getanzt. Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen auf die Füße trete.«
»Was tun Sie hier?«, fragte er. »In Amerika, meine ich. Müssen Sie immer noch Kinder nach Europa zurückbringen? Ich dachte, das wäre jetzt vorbei.«
»Ich besuche meine Familie. Seit 1941 habe ich meine Kinder nicht mehr gesehen. Und Sie, was macht ein Däne in New York?«
»Ich bin der dänische Botschafter der Vereinten Nationen.«
»Oh, arbeiten Sie zusammen? Das war mir nicht klar.«
»Ja, es stimmt auch, die UNO ist noch nicht besonders gut organisiert. Wir haben lediglich Übergangsbüros draußen am Lake Success.«
»Wo, in aller Welt, ist das denn?«
»Weit entfernt vom Times Square auf Long Island. Ihr Mr. Rockefeller hat der UNO Grundstücke in Manhattan geschenkt, aber wir haben noch nicht angefangen zu bauen. Wir sind immer noch in der Organisationsphase.« Er lachte. »Es ist nicht einfach, die Länder der Welt unter einen Hut zu bringen.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Wir organisieren gerade Komitees, aber bis jetzt weiß noch niemand so richtig, was er will oder was er machen soll.«
»Werden die Vereinten Nationen in Zukunft wirklich Kriege verhindern?«
Nielsens Augen verdunkelten sich. »Das können wir nur hoffen.«
Das Orchester spielte Cole Porter, und Nielsen gestand: »Ich habe eine Schwäche für seine Musik.«
Plötzlich stand ihr Philippe vor Augen. Hatte er nicht so etwas Ähnliches gesagt? Und er hatte auf dem Klavier »Night and Day« gespielt …
Schweigend tanzten sie eine Weile. Lars Nielsen war größer als die meisten Männer, die sie kannte. Seine Augen gefielen ihr, sie waren blau wie Kornblumen. Als junger Mann war er bestimmt hellblond gewesen. Jetzt war er schon ein wenig grau an den Schläfen.
Alex genoss es, wieder die Arme eines Mannes um sich zu spüren. Sie lächelte ihn an.
»Stimmt es«, fragte er, »dass es keinen Herzog mehr gibt?«
»Nein, keineswegs. Mein Sohn, Michael, ist jetzt der Herzog.«
»Und ich bin Witwer.«
»Botschafter, ich bin schon ein bisschen alt für das, was Sie damit andeuten wollen. Ich bin fünfundvierzig.«
»Herzogin, was für ein Zufall. Ich auch. Ich glaube, Sie müssen einmal für eine Weile hier heraus«, sagte der Däne.
»Ach ja?«
»Haben Sie jemals den Sonnenaufgang bei Jones Beach gesehen?«
»Ich war noch nie an Jones Beach.«
»Sind Sie nicht in New York aufgewachsen?«
»Ja. Nicht weit entfernt von hier.«
»Und da waren Sie nie an Jones Beach? Was haben Sie denn im Sommer gemacht, wenn es in der Stadt so heiß war?«
»Dann waren wir in Newport, was ich leidenschaftlich gehasst habe.«
»Nun, dann lassen Sie mich Ihnen den Sonnenaufgang bei Jones Beach zeigen.«
»Und wann?«
»Morgen früh natürlich.«
63
U m ein Uhr dreißig waren die Straßen in New York fast menschenleer. Lars Nielsen kannte sich offensichtlich aus.
»Ich habe Hunger«, sagte er. »Was ist mit Ihnen?«
»Ich auch.«
»Ich kenne ein großartiges kleines Hamburger-Restaurant, das die ganze Nacht lang offen hat. Allerdings ist es eine Stunde von hier entfernt.«
»Wissen Sie, dass ich noch nie in meinem Leben einen Hamburger gegessen habe?«
Lars starrte sie entgeistert an. »Sie haben noch nie einen Hamburger gegessen?«
Alex schüttelte den Kopf. »Und ich hatte auch noch nie einen Milchshake.«
»Meinen Sie das ernst?« Erstaunt schüttelte er den Kopf. »Nun, dann ist das Lokal als Einführung für Sie genau das Richtige. Die Milchshakes sind so dick, dass der Strohhalm darin stehen bleibt. Ich dachte, Amerikaner wachsen damit auf.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nun, ich nicht.«
»Dann ist es ja ein Glück, dass Sie mir begegnet sind.«
»Ja, vermutlich.« Alex lachte und beugte sich vor, um das Radio einzuschalten. George Gershwins »They’re singing songs of love but not for me« ertönte.
Lars legte seine Hand auf ihre. »Mögen Sie Gershwin?«, fragte er.
»Ja.« Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und seufzte zufrieden.
»Stimmt irgendetwas nicht?«, erkundigte er sich.
»Nein, im Gegenteil. So schön habe ich es lange nicht mehr
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