Wer nach den Sternen greift
die Universität gegangen«, sagte sie. »Ich habe immer gerne gelernt.«
»Und warum studieren Sie dann nicht? Sie sind doch im richtigen Alter dafür.«
»Ja«, erwiderte sie, »aber, Sie wissen schon, eine Frau auf einer Universität.«
»Was ist daran falsch?«
Sophie lachte verlegen. »Eine Frau ist dazu bestimmt, zu heiraten, nicht zu lernen, oder?«
»Eine dumme Frau würde mich zu Tode langweilen.«
Der alte Mann brachte ihnen ihren heißen Apfelsaft, und Sophie schloss ihre Hand um den warmen Becher. »Oh, das tut gut.« Sie wusste nicht, was sie ihm antworten sollte. Es war ein seltsames Gespräch.
Er blickte sie an. »Nun ja, ich glaube nicht, dass ich dumm bin«, sagte sie schließlich.
»Nein, da bin ich mir auch ganz sicher, aber warum wollen Sie aufhören zu lernen?«
»Es ist nicht … ach, wie Sie es darstellen …«
»Ja, es tut mir leid. Das ist sicher nicht die richtige Methode, um mit einer jungen Dame ins Gespräch zu kommen, die ich gerne näher kennenlernen würde.«
Sie lächelte. »Und woher wissen Sie das?«
»Weil ich jeden einzelnen Tag an Sie gedacht habe, seit ich Sie letzten Sommer in Saratoga gesehen habe.«
»Sie übertreiben«, erwiderte sie und blickte ihn unter halbgesenkten Wimpern an. »Aber es ist eine nette Schmeichelei.«
»Es ist keine Übertreibung. In Detroit habe ich jede Nacht an Sie gedacht, an das grüne Kleid, das so gut zu Ihren Augen passte, Augen wie die Smaragde, in denen Sie schwammen.«
»In denen ich schwamm?« Sie lachte. Sie konnte sich kaum an ihn erinnern, während er anscheinend noch ganz genau wusste, was sie an jenem Abend angehabt hatte. An dem Abend, an dem sich Colin von Rhysdale in sie verlieben sollte.
»Sie waren viel zu sehr an Colin von Rhysdale interessiert, um mir auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu schenken.«
Sie nickte. »Ja, das stimmt.«
»Und, sind Sie jetzt mit ihm verlobt?«
Was für unverblümte Fragen er stellte. »Ich habe ihn seitdem nicht mehr wiedergesehen.«
Er ließ sein Glas sinken. »Das ist nicht Ihr Ernst. Er wirkte völlig hingerissen von Ihnen.«
»Das dachte ich auch.« Sophie konnte es kaum glauben, dass sie so mit einem Fremden redete. Nun ja, nicht ganz ein Fremder, aber sie kannte ihn trotzdem kaum. Sie hatte noch nicht einmal ihren Eltern erzählt, dass sie unter Colins Schweigen litt. Sie beugte sich über den Tisch und fuhr leicht mit dem Finger über Hults Handrücken. Er zog die Hand zurück, als habe er sich verbrannt.
»Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte nicht so mit Ihnen reden.«
Ihre Hand lag noch auf dem Tisch, und er ergriff sie. »Wollen Sie heute Abend mit mir essen, oder kennen wir uns zu kurz, als dass ich Sie darum bitten darf? Jetzt ist es drei Uhr. Kann ich Sie um acht abholen?«
»Oh, Mr. Hult, das geht nicht«, erwiderte sie, entzog ihm jedoch ihre Hand nicht. »Zuerst müssen meine Eltern Sie kennenlernen.« Sie blickte auf ihr Handgelenk und sah, wie ihr Puls pochte. Er ließ ihre Hand nicht los.
»Wann darf ich denn vorsprechen, um sie kennenzulernen?«
»Ich muss sie erst fragen.«
»Morgen Nachmittag. Sagen Sie ihnen, ich komme morgen Nachmittag.«
»Morgen ist Sonntag.«
Er nickte. »Ja, dann sind sie auch aus der Kirche schon zurück.«
»Niemand macht am Sonntagnachmittag Besuche.«
Er lächelte, als sie ihre Hand zurückzog. »Ich bin nicht niemand. Sagen Sie ihnen, dass wir uns kennengelernt haben. Sagen Sie Ihrem Vater meinen Namen. Er wird ihm nicht fremd sein.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Fragen Sie ihn.«
Ihre Blicke trafen sich, ließen einander nicht los. Sophie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Sie stand auf, und ihr Lakai, der immer noch am Fenster saß, folgte ihrem Beispiel.
Hult merkte, dass der Diener sich ebenfalls erhoben hatte. »Nun, da Sie ja in Begleitung sind, soll er uns folgen. Ich bringe Sie nach Hause.«
Sie konnte nicht gut ablehnen. Also nickte sie dem Lakaien zu, damit er ein paar Meter hinter ihnen blieb.
»Warum habe ich Sie diesen Winter auf keiner Party gesehen?«, fragte Sophie, als sie zum Haus gingen.
»Partys interessieren mich nicht.«
»Was interessiert Sie denn dann?«
»Wagen.«
»Wagen?«
»Automobile.«
»Sie meinen pferdelose Kutschen?« Sie lachte.
Lächelnd nickte er.
»Haben Sie deshalb in Deutschland Ingenieurwesen studiert, um an der Entwicklung einer pferdelosen Kutsche zu arbeiten?«, fragte sie, als sie sah, dass er es ernst meinte. »Kutschen oder Pferde
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