Wer nach den Sternen greift
und eine italienische Gartenanlage, die früher prachtvoll gewesen sein musste, jetzt aber ungepflegt und von Unkraut überwuchert war. Trotzdem war es ein schöner Blick über die Weiden, auf denen Schafe und Kühe grasten, und auf die Hügelkette am Horizont.
Sie erwartete, dass ihre Schwiegereltern sie fragten, wie es ihnen auf dem Kontinent gefallen habe, was sie getan und gesehen hätten, aber niemand stellte eine Frage.
»Ihr werdet euch vermutlich ein wenig frisch machen wollen«, sagte die Herzogin. »Wir essen um eins.«
Alex stand da, während Oliver sich mit seinem Vater unterhielt, und dann fragte ihr Mann: »Wollen wir?« Er führte sie zu einer großen Treppe mit zwei Aufgängen, und sie folgte ihm nach rechts den Gang entlang. Er spähte in jedes Zimmer, ging jedoch weiter.
Schließlich nickte er und trat in einen großen Raum, der genauso aussah wie das Zimmer unten. Aus hohen Fenstern blickte man über den Garten zu den Hügeln in der Ferne. Im Zimmer standen einige Sofas und ramponierte Ledersessel. Im Kamin brannte bereits ein Feuer und machte den Raum behaglich warm.
Alex blickte sich um und fragte sich, was hier wohl »renoviert« worden war. Oliver öffnete die Tür, die nach rechts führte, und warf einen Blick in das Zimmer. »Das muss dein Zimmer sein«, sagte er. »Ich bin mit den Räumlichkeiten hier nicht so vertraut. Mein altes Zimmer war unten. Sie hat uns wahrscheinlich hier eine Suite herrichten lassen.« Er ging auf die andere Seite des Wohnraumes und öffnete dort die Tür. »Das muss mein Zimmer sein«, sagte er.
Seines und ihres? Auf entgegengesetzten Seiten des Wohnraums?
»Wo ist das Badezimmer?«, fragte Alex. Es war eine lange Fahrt von London hierher gewesen.
»In diesem Stockwerk gibt es leider keines«, erwiderte ihr Mann. »Aber wahrscheinlich steht ein Nachttopf unter deinem Bett.« Mit diesen Worten ging Oliver in »sein« Zimmer und ließ Alex in ihrem gemeinsamen Wohnzimmer einfach stehen.
Als Alex in ihr Zimmer trat, stellte sie fest, dass hier anscheinend »renoviert« worden war. Ein roséfarbener Bettüberwurf aus Satin bedeckte das große Vierpfostenbett. Zwar war der Teppich verschlissen, aber der Sessel war neu bezogen. An einer Seite des Zimmers stand ein Schminktisch, und als Alex die Tür daneben öffnete, stand sie vor einem Kleiderschrank, der so groß wie ein kleines Zimmer war. Ihre Schrankkoffer befanden sich bereits dort. In jedem Zimmer hingen nackte Vierzig-Watt-Glühbirnen von der Decke. Alex hasste Deckenlampen, aber es gab keine Nachttischlampen. Wie sollte sie abends im Bett lesen?
Unter ihrem Bett stand tatsächlich ein Nachttopf. So etwas hatte sie nur einmal als Kind in einem Hotel in Paris benutzen müssen. Wie entsetzlich primitiv. Sie rümpfte die Nase. War den Engländern eigentlich nicht klar, dass sie sich bereits im zwanzigsten Jahrhundert befanden? In dem Amerika, in dem sie aufgewachsen war, hatte es keine Nachttöpfe oder Toiletten auf dem Hof gegeben. Und hier stand sie, ein Mitglied des britischen Hochadels, und es gab keine Toilette, auf die sie gehen konnte. Ekelhaft.
Zum Waschen hatte sie lediglich einen Krug mit Wasser und eine Schüssel.
Sie benutzte den Nachttopf und wusch sich die Hände. Dann zog sie sich um und ging in ihr gemeinsames Wohnzimmer, um auf Oliver zu warten. Sie blickte auf ihre Uhr. Es war Viertel nach zwölf. Es wurde halb eins, dann Viertel vor eins. Schließlich verließ sie das Zimmer und ging allein über den breiten, dunklen Flur zur Treppe. Unten blieb sie stehen, da sie nicht wusste, in welche Richtung sie gehen sollte.
Ein Lakai kam durch die Halle, und sie musste ihn nach dem Esszimmer fragen. Er zeigte ihr den Weg.
Sie aßen schweigend zu Mittag. Es wurde nicht gelacht, und ihre Schwiegereltern stellten keine Fragen über ihre Reise. Diener servierten Suppe und dann Fleisch, das zu sehr durchgebraten war, wie Alex fand, dazu gab es Kartoffeln und irgendein Gemüse.
Am Nachmittag war sie sich selbst überlassen. Sie spazierte durch den Garten und ging dann wieder in ihr Zimmer, wo es jedoch keinen Schreibtisch gab, an dem sie Briefe hätte schreiben können. Sie holte Briefpapier aus ihrem Koffer, setzte sich auf ihr Bett und schrieb auf einem Tablett, das sie auf den Knien balancierte, einen Brief an ihre Großeltern, in dem sie ihnen schilderte, dass sie kein Badezimmer habe und nur nackte Vierzig-Watt-Glühbirnen an der Decke. Sie hatte geglaubt, dass es so etwas nur noch in China
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