Wer nach den Sternen greift
zusammen im Park spazieren, und Alex begleitete ihren Vater auch ins Theater oder in die Oper. Und sie redeten über Bücher. Woher nahm Colin wohl die Zeit, so viel zu lesen? Wahrscheinlich las er nachts im Bett, denn sie sah ihn nur selten mit einem Buch in der Hand, höchstens wenn Alex sich bei ihm im Arbeitszimmer (das sie »Bibliothek« nannte) aufhielt. Wenn das der Fall war, hörte sie die beiden zusammen lachen, und manchmal fragte sie sich, warum sie in ihrer Gegenwart kaum jemals eine Miene verzogen.
Sie wusste, dass Colin nie Bankdirektor geworden wäre, selbst nicht in einer Kleinstadt, wenn er kein von Rhysdale wäre. Sie fand, es mangelte ihm an Führungsqualitäten, und ihrer Meinung nach war seine herausragendste Fähigkeit, dass er gut tanzen konnte. Er tanzte einfach göttlich.
Ihr fiel ein, wie Frederic Hult getanzt hatte, nicht ganz so göttlich, aber er hatte sie dicht an sich gezogen, und sie hatte sein Herz an ihrem gespürt. Wie wäre ihr Leben wohl verlaufen, wenn sie die Hausherrin in einem prächtigen Haus in Grosse Point, Michigan, geworden wäre? Dann hätte ihre Tochter jetzt sicher keine Chance, in den britischen Hochadel einzuheiraten.
Inzwischen hatte Oliver gewendet, und sie fuhren wieder durch den Triumphbogen. Im Westen ballten sich dunkle Gewitterwolken zusammen. So wie er Alex anblickte, war es wohl richtig gewesen, dass Sophie ein Hochzeitskleid bei Worth geordert hatte, als sie zur Anprobe anderer Ballkleider da gewesen waren. Davon wusste Alex natürlich nichts. Aber es würde in Sophies Schrankkoffer hängen, wenn sie nach New York zurückfuhren. Hoffentlich versprach Oliver ihnen, sie diesen Winter, während der Saison, zu besuchen. Oh, New York würde vor Neid platzen. Wenn er die Einladung akzeptierte, war klar, was das bedeutete. Und in New York würde er Alex seinen Antrag machen. Ihr Lebensstil und ihr Geld musste ihn doch einfach beeindrucken. Sie würde mit ihm nach Newport fahren, und spätestens dort würde er begreifen, was man mit Geld alles erreichen konnte. Wie viel mochte er wohl benötigen? Nun ja, darüber brauchte sie sich keine Gedanken zu machen. Der Geldfluss der von Rhysdales und Currans konnte nicht versiegen, ganz gleich, wie viel er brauchte.
Deshalb war sie auch völlig überrascht, als Colin sie nach ihrer Rückkehr ungläubig anblickte, als sie ihm berichtete, dass Oliver zu Besuch käme.
»Du willst unsere Tochter für einen Titel verkaufen?«, fragte er gepresst.
»Nun, verkaufen würde ich es nicht nennen.«
»Wie dann? Sklaverei?«, fragte er, drehte sich auf dem Absatz um und schlug die Tür hinter sich zu.
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Zweiter Teil 1920 bis 1930
18
E s überraschte niemanden, dass Alex schwanger war, als sie Ende September nach London zurückkehrten. Alex hätte lieber ein bisschen mehr Zeit gehabt, um sich an die Ehe und ein fremdes Land zu gewöhnen, aber Oliver war glücklich, dass er seinen Eltern verkünden konnte, dass ein Erbe unterwegs war. Er hatte seine wichtigste eheliche Pflicht erfüllt.
Während der Zugfahrt war es Alex ständig übel. In Woodmere wurden sie von einem Vierergespann abgeholt, obwohl mittlerweile schon überall Autos fuhren. Der Bahnhof war schwarz von Menschen, die dem frischgebackenen Ehepaar einen begeisterten Empfang bereiteten.
Als sie die Brücke zum Schloss überquerten, stand das gesamte Hauspersonal zur Begrüßung im Innenhof. Es waren zwanzig Personen, stellte Alex ein wenig erschrocken fest. Zu Hause hatten sie nur sieben Bedienstete. Aber natürlich waren alle Häuser der von Rhysdales und Currans zusammengenommen auch nicht so groß wie Schloss Carlisle.
»Wer ist das alles?«, fragte sie Oliver.
Er zuckte mit den Schultern. »Reginald wird sie dir vorstellen. Aber du brauchst dir die Namen nicht zu merken. Old Reg kümmert sich schon um alles.«
Reginald, der Butler, der das Kommando über alle anderen Bediensteten hatte, stellte ihr den persönlichen Kammerdiener des Herzogs, den Zweiten Butler und die Lakaien (von denen es allein vier gab) vor. Mrs. Burnham, die Haushälterin, wachte über die weiblichen Bediensteten, die zur Begrüßung knicksten. Es gab die persönliche Zofe der Herzogin, ein halbes Dutzend Hausmädchen, drei Wäscherinnen. In der Küche regierte die Chefköchin mit drei Nebenköchen. Alex nickte nur noch. Oliver hatte recht. All die Namen würde sie sich nie merken können, zumal das nur das Personal für drinnen war.
Nach der Vorstellung wandte sich
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