Wer nach den Sternen greift
gut besucht.«
»Oh, schön«, sagte Alex. »Und am Weihnachtstag?«
Die Herzogin schwieg, deshalb fuhr Scully fort: »In den offiziellen Räumen wird ein großer Weihnachtsbaum aufgestellt, der prächtig geschmückt ist und die Woche vor Weihnachten für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Im Dorf kann sich natürlich kaum jemand so einen prachtvollen Weihnachtsbaum leisten, und deshalb kommen sie in Scharen hierher. Wir servieren Wassail …«
»Wassail?«
»Das ist unser traditionelles Apfelgetränk, und dazu gibt es kleine Kuchen.«
Alex klatschte in die Hände. »Das wird meinen Großeltern gefallen.«
Nach dem Mittagessen würde sie nach oben gehen und sich die Räume anschauen, die ihre Schwiegermutter für ihre Großeltern vorgesehen hatte, dachte Alex. Sie würden sterben, wenn sie Nachttöpfe benutzen müssten.
Jennie, die Zofe, die Mrs. Burnham für sie eingestellt hatte, konnte sich auch um Annie kümmern. Viel hatte das Mädchen sowieso nicht zu tun. Sie war eine reizende junge Frau, fand Alex. Vielleicht nicht gerade die intelligenteste, aber eifrig bemüht, zu lernen und alles richtig zu machen. Sie hatte noch nie in Diensten gestanden, und Alex musste ihr immer alles zwei- bis dreimal sagen, aber dann hatte sie es begriffen. Sie waren ungefähr im gleichen Alter. Scully hatte sie ausgesucht. Zum Glück kam sie aus dem Dorf, so dass Alex sie wenigstens verstehen konnte. Wenn die Dienstboten aus Liverpool oder Yorkshire kamen, fragte sich Alex manchmal, ob sie tatsächlich Englisch sprachen. Und die Schotten! Ach, du liebe Güte! Aber sie alle glaubten, Englisch zu sprechen. Sie lachte.
»Frank, schau nur, wie hübsch es hier ist«, sagte Annie, während sie aus dem Zugfenster blickte. »Sieh nur, Strohdächer wie vor hundert Jahren.«
»Vermutlich gab es sie schon, noch bevor die ersten Auswanderer nach Amerika kamen.« Frank war ein begeisterter Freizeit-Historiker geworden. »Wir halten ja eigentlich alles für mittelalterlich, was vor den Puritanern gewesen ist.«
»Es ist eine wundervolle Landschaft, nicht wahr? Diese hübschen kleinen Dörfer in den Hügeln. Und ich habe noch nie so viele Schafherden gesehen.«
»Von England kennen wir ja eigentlich auch nur London. Jetzt sehen wir endlich einmal eine andere Seite des Landes.«
»Findest du es nicht auch eigenartig, dass Sophies kleines Mädchen hier wohnt?«
»Ich habe das dumme Gefühl, dass es überhaupt nicht lustig ist. Aber wir sind ja hier, um es herauszufinden.«
Der Zug wurde langsamer und fuhr in den Bahnhof ein.
»Sieh mal, da ist Alex.« Annie winkte ihrer Enkelin zu.
»Gott sei Dank ist sie nicht so wie Sophie, die einem nie zeigt, wie es ihr zumute ist.« Frank hatte seine Tochter in dieser Hinsicht nie verstanden.
Als Annie aus dem Zug stieg, fiel Alex ihrer Großmutter stürmisch um den Hals. »O Grandann, wie schön, dich zu sehen.« Annie war in Hellblau gekleidet, ein Farbtupfer zwischen den düsteren britischen Winterfarben.
Auch Frank umarmte seine Enkelin. »Es war wunderbar, als ich gestern Mittag deine Stimme hörte«, sagte Alex und küsste ihn zur Begrüßung.
Annie hatte so viele Koffer mitgebracht, dass sie nicht in den Wagen passten, deshalb vereinbarte Scully mit dem Bahnhofsvorsteher, dass er sie zum Schloss schicken ließ. Auf dem Heimweg unterhielten sich Alex und ihre Großeltern angeregt.
»Der Herzog ist auf Reisen«, erklärte Alex ihnen. »Er verbringt die meiste Zeit auf dem Kontinent. Nur die Herzogin und ich sind im Moment zu Hause.«
»Und wo ist dein Mann?«, fragte Frank.
»In London.«
Frank blickte seine Enkeltochter an. Annie schaute aus dem Fenster.
»Heute tagsüber, oder?«
»Nein. Er hat dort eine Wohnung, in der er sich häufig aufhält.«
»Und was macht er da?«, forschte Frank.
»Grandpa, ich weiß es nicht«, erwiderte Alex, und Tränen traten ihr in die Augen.
Annie berührte Franks Hand, und er legte Alex den Arm um die Schultern.
»Hier, sieh mal.« Alex zeigte auf den großen Marmorbogen. »Hier beginnt unser Besitz.«
Schon von weitem sahen sie das Schloss, das wie ein steinerner Koloss am Horizont aufragte.
»Es wurde Anfang des achtzehnten Jahrhunderts erbaut«, erklärte Alex ihnen.
»Es ist zwar nicht ganz so groß wie Versailles«, stellte Annie fest, »aber immerhin …«
»Warst du schon in allen Zimmern?«, fragte Frank.
Alex schüttelte den Kopf.
»Nun«, erwiderte ihr Großvater, »dann nehmen wir uns das doch mal vor für die Zeit, in
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