Wer nach den Sternen greift
deutlich sehen, dass Sie beide miteinander verwandt sind«, erklärte sie.
James stellte seinen Bruder vor, sie setzten sich, und das Schankmädchen nahm ihre Bestellung auf.
Alex tat so, als studiere sie die Speisekarte, aber in Wirklichkeit beobachtete sie Ben. Er war braun gebrannt und durchtrainiert, ein paar Jahre jünger als James. In seinen braunen Haaren gab es keine graue Strähne, nur an den Schläfen und am Schnurrbart schimmerte es grau. Er saß so gerade, dass man ihm seine Militärkarriere sofort ansah.
»Sie haben sich also zur Ruhe gesetzt«, sagte Alex.
»Ja, aber nicht vom Leben.« Ben lächelte sie an. Er hatte ein nettes Lächeln, fand sie.
»Und wie kommen Sie damit zurecht, dass hier der Himmel grau und das Gras grün ist, im Gegensatz zu …«
»… kobaltblauem Himmel und sonnenverbrannter Wüste?«
»Oh, ich höre es an Ihrem Tonfall. Wie lange waren sie schon nicht mehr in England?«
»Ich habe alle drei oder vier Jahre meine Kinder hier besucht. Und obwohl ich insgesamt fünfundzwanzig Jahre lang weg war, so betrachten wir doch auch auf den entlegenen Posten des Britischen Empire England als unser Zuhause. Wir träumen von grünen Bäumen, plätschernden Bächen, Nebel und Nieselregen.«
»So wie Sie es sagen, klingt es wesentlich attraktiver, als es eigentlich ist.«
Ben lachte. »Vielleicht.«
Das Schankmädchen brachte drei Steinkrüge mit Bier für die beiden Männer und Clarissa, aber Alex trank Tee ohne Milch. Sie hatte sich noch nicht ganz an die britische Art, Tee zu trinken, gewöhnt.
Ben beugte sich vor. »Jim hat mir von Ihren Plänen erzählt. Sagen Sie mir doch, warum eine Fremde, eine sehr junge Fremde, Geld in ein Krankenhaus für so ein kleines Dorf investieren will.«
Alex lehnte sich zurück und blickte ihn an.
»Reiner Egoismus, Dr. Cummins. Ich habe immer nur dort gelebt, wo ich leichten Zugang zu einem Krankenhaus hatte. Es gibt mir einfach ein sicheres Gefühl. Ich habe vor, meine weiteren Kinder im Schloss zur Welt zu bringen, aber ich möchte, dass ein Krankenhaus in der Nähe ist. Und wenn man bedenkt, was Kindern alles passieren kann, möchte ich auch nicht, dass sie weit entfernt von einem Krankenhaus aufwachsen. Ich möchte, dass es dort alles gibt, was man für den Notfall braucht.«
Sie blickten einander an. Schließlich sagte Ben: »Das ist äußerst großzügig von Ihnen.«
»Es ist leicht, großzügig zu sein, wenn man so viel Geld hat, dass man es sein Leben lang nicht ausgeben kann. Außerdem habe ich sehr liebe Großeltern, die in Amerika seit jeher Krankenhäuser und Schulen unterstützen. Wenn Sie mit Geld nicht etwas Nutzbringendes für die Gesellschaft bewirken, wozu ist es dann gut? Ich habe mehr Pelze und Juwelen, als eine Frau eigentlich haben sollte. Meine Kinder werden das Schloss erben, und ich möchte, dass man uns in Woodmere mag. Ich finde, es hat viel zu lange eine hohe Mauer zwischen uns und den Dorfbewohnern gegeben.«
»Ach, die Amerikaner! Ich bewundere die klassenlose Gesellschaft!«
»Täuschen Sie sich nicht. Ich bin nie mit arbeitenden Menschen zusammengekommen. Ich bin nicht auf die Partys der Hausmädchen und Chauffeure gegangen, aber ich habe mich ihnen auch nie überlegen gefühlt. Vielleicht liegt es ja am Bildungsunterschied, wenn ich nicht wusste, was ich mit den Dienstboten reden sollte. Aber eine klassenlose Gesellschaft ist Amerika nicht.«
»Nun, Sie sind auf jeden Fall wesentlich demokratischer als wir Briten.«
»Da stimme ich Ihnen allerdings zu.«
»Alexandra ist das Beste, was dieser Familie in all den Jahren, in denen ich dazugehöre, passiert ist«, warf Clarissa ein.
Ihr Akzent war so vornehm, wie Ben es sich vorgestellt hatte, aber sie trug keine Pastelltöne. Ihr blassgraues Kleid passte genau zu der Farbe ihrer Augen. Früher war sie sicher blond gewesen, aber jetzt überwog auch hier das Grau, doch die Tatsache, dass diese Farbe vorherrschte, machte sie nicht langweilig, sondern ließ sie eher kostbar und edel wirken wie die schimmernden Perlen ihrer Halskette. Sie sah aus wie ein Gemälde oder ein Stück von Debussy. »Nachmittag eines Fauns«, ging ihm durch den Sinn, und er dachte, ja, genauso sieht sie aus. Und in diesem Augenblick wusste er, warum sich sein Bruder in sie verliebt hatte.
Und er spürte auch, dass jetzt, nachdem er diese beiden Frauen kennengelernt hatte, sein Leben nicht mehr dasselbe sein würde. Er wusste zwar nicht genau, wie es sich ändern würde, aber er war
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