Wer nicht küsst, der nicht gewinnt: Roman (German Edition)
kicherte Rosie. »Die Flip-Flops stehen ihm gut. Schau ihn dir wenigstens mal an«, drängte sie mich, und so warf ich einen Blick in die Richtung und starrte in dasselbe Augenpaar wie damals daheim, in meinem Zimmer. Ein unbeschreibliches Gefühl.
Der Schock fuhr mir in die Glieder, und mein Herz schlug schneller. Für den Bruchteil einer Sekunde schien es, als würde in seinen Augen der Funke des Wiedererkennens aufflackern, doch dann konzentrierte er sich auch schon wieder auf seine Blondine.
Obwohl man bei dem zuckenden Diskolicht nicht viel erkennen konnte, wusste ich genau, dass er es war – ganz leicht verändert, wie bei einem dieser Suchbilder, in denen man den Unterschied entdecken soll. In jedem Fall jünger und schlanker, und die Wangenknochen wirkten markanter. Rosie hatte schon Recht, er sah gut aus – wenn man verstrubbelte Typen mit Schlafzimmerblick mochte, was ich von mir nicht behaupten konnte. Einzig sein Auftreten war ein ganz anderes, soweit das, verdeckt von der exaltierten Dame, überhaupt zu erkennen war.
Sein zukünftiges Selbst hatte irgendwie realer gewirkt. Trotz des irren Geredes war es auf eine Weise ernsthaft gewesen, die ich damals gar nicht richtig gewürdigt hatte.
Wenn ich daran zurückdachte, was ich seither unentwegt tat, kam er mir wie ein ernst zu nehmender Zeitgenosse vor, während dieser … dieser Typ hier Lager soff, seiner Begleitung jetzt etwas in den Ausschnitt steckte, das wie eine Fünfzigpfundnote aussah, und ein einziger Widerling zu sein schien.
Sollte ich mich insgeheim darauf eingestellt haben, bei seinem Anblick ein warmes, diffuses Kribbeln zu verspüren, wurde ich enttäuscht. Nicht enttäuscht natürlich. Ich war erleichtert. Aber der zukünftige Elliot war sich seiner Sache so sicher gewesen, dass ich schon etwas mehr erwartet hatte.
Ich versuchte mich daran zu erinnern, wie es war, als ich Pete zum ersten Mal gesehen hatte. Er hatte sich im ›Hungry Horse‹ an seinem Pint festgehalten, eine Financial Times unter dem Arm, damit ich ihn erkennen konnte. Abgesehen von der Erleichterung darüber, dass er noch seine eigenen Zähne hatte, wunderbar volles, glänzendes Haar auf dem Kopf und keinerlei Gesichtszuckungen, blieben die Erinnerungen aber diffus.
»Nun, in einer Sache hat er jedenfalls Recht gehabt. Dein Typ ist er definitiv nicht«, sagte Rosie, und ihr Atem kitzelte mich am Ohr. »Er sieht aus wie das klassische Söhnchen reicher Eltern, das sein Erbe verschleudert. Kaum vorstellbar, dass du dich in einen solchen Typen verlieben sollst.« Sie schüttelte verwundert den Kopf. »Das ist nun wirklich nicht deine Liga.«
»Was soll das heißen?«, fragte ich und war seltsam gereizt. »Du meinst wohl, ich bin wirklich nicht seine Liga.« Ich ließ ihn dabei nicht aus dem Blick.
»Komm schon, Sash, du weißt, was ich meine.« Ihr ovales Gesicht wirkte in dem künstlichen Licht fast exotisch. »Ich möchte hier keine Scherze auf deine Kosten machen, aber du wüsstest doch wirklich nicht, was du mit jemandem wie Elliot anfangen sollst.«
»Ah, der großartige Elliot, was?«, sagte ich, immer noch gekränkt. Okay, im Gegensatz zu Rosie war ich in meinem Liebesleben tatsächlich nicht der Draufgängertyp. Die beiden langjährigen Beziehungen, die ich vor Pete hatte, waren nur zerbrochen, weil der eine Mann ins Ausland gegangen war und der andere sich nicht damit abfinden wollte, wie viel Zeit ich in die Arbeit steckte. In dieser Hinsicht waren wir wie Feuer und Wasser. Für Rosie waren Beziehungen Abenteuer, während ich mein Liebesleben gerne unter Kontrolle behielt. Einmal hat sie ganze sechs Monate lang vorgetäuscht, dass sie sich für Star Trek interessieren würde, nur um sich jemanden warmzuhalten. Sie ist zu Fantreffen gegangen und hat sogar Klingonisch gelernt. Schwer vorstellbar, dass ich so etwas tun würde.
Als ich sah, wie der DJ die Arme über dem Kopf schwenkte, überfiel mich das dringende Bedürfnis, nach Hause zu gehen.
»Das hier ist nichts für mich«, brüllte ich im selben Moment, als eine Techno-Nummer aufgelegt wurde und Elliot Frobisher auf die Beine sprang. Er zog die Blondine auf die Tanzfläche und zappelte mit den Beinen, als hätte seine Hose Feuer gefangen. »Ich möchte nach Hause«, formulierten lautlos meine Lippen, während ich auf die Uhr an meinem Handgelenk zeigte. Der Rest von meinem Drink landete auf dem Boden. »Er ist betrunken.«
»Wir können jetzt nicht gehen!« Rosie riss entsetzt die Augen auf.
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