Wer nicht küsst, der nicht gewinnt: Roman (German Edition)
noch auf das Kleid starrte. Die Farben passten zu dem blau-weiß gestreiften Hemd, das er in seine schwarze Jeans gesteckt hatte.
»Haben Sie das irgendwo in der Nähe gekauft?«
»Um Himmels willen, bitte sehr.« Ich reichte ihm die leere Tüte, und meine Brust pumpte wie ein Blasebalg. »Der Name des Geschäfts steht vorne drauf«, sagte ich. »Ist aber unwahrscheinlich, dass es das in Ihrer Größe gibt.«
Ein feines Lächeln umspielte seinen Mund. »Sie können es mir wohl kaum vorwerfen, wenn ich misstrauisch bin – nach dem, was Sie sich neulich geleistet haben«, sagte er, kam jetzt herein und schaute sich um.
»Mag sein, aber …« Los, sag es ihm, erzähl ihm die Wahrheit, warum du bei Belle herumgeschnüffelt hast , drängte ich mich selbst, aber seine Aufmerksamkeit galt bereits anderen Dingen.
»Wo wollen wir das Foto machen, hier oder draußen?«, fragte er und legte eine klobige Kamera aufs Sofa, während ich meine Füße in Riemchensandalen schob. »Den Blitz hab ich im Auto gelassen, es ist ein so schöner Nachmittag. Ich fotografiere immer lieber draußen.«
»Oh … äh … weiß nicht.« Ich schaute mich im Wohnzimmer um und versuchte, es mit seinen Augen zu sehen. Die etwas angestaubte Wohnlichkeit nahm ich schon gar nicht mehr wahr. »Oje, da ist ja eine feuchte Stelle an der Decke. Sieht aus wie ein Pferdekopf«, platzte es aus mir heraus, und ich zeigte hoch. »Wir hätten wirklich schon lange mal streichen sollen.«
Er wirkte überrascht. »Ist doch nicht schlimm«, sagte er. »Wirkt gemütlich.« Das klang wehmütig, und ich warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Er hatte sicherlich kein richtiges Zuhause mehr gehabt, seit seine Mutter gestorben war.
»Hier mussten wir immer Brettspiele spielen«, plapperte ich drauflos, als mein Blick auf die alte Monopoly-Schachtel fiel. »Wenn man jeden Abend fernsieht, ist man am Ende hirntot, sagt Dad.«
»Klingt nach einer Menge Spaß«, sagte er, und wieder hörte ich den traurigen Unterton heraus. »Wir können das Foto auch hier drinnen machen, wenn Ihnen das lieber ist«, sagte er dann. »Dann schieben wir das Sofa an die Wand.« Er lehnte sich an die alte Kommode, krempelte die Ärmel hoch und erwog die Möglichkeiten.
Ich starrte auf seine Hände, die stark und zart gleichermaßen wirkten. Seine Fingernägel waren sauber und gepflegt.
Er registrierte meinen Blick, und ich erstarrte.
»Und?« Das Licht, das durchs Fenster fiel, spielte in seinem Haar und ließ die goldenen Flecken in seinen Augen hervortreten. Sein Rasierwasser war ziemlich intensiv, und mich schwindelte. »Was denken Sie?«
»Äh … Worüber?«
Er schaute mich an, und die Luft wurde schwül.
»Ah … Ich geh schnell Mum fragen«, sagte ich und rannte in meiner lähmenden Unentschlossenheit hinauf. Es passte mir nicht, dass ich ihn alleine lassen musste. Er würde sich umschauen – und da lagen all die Fotos von mir und Pete, und auf dem Kaminsims stapelten sich die Antwortkarten für unsere Hochzeit, und zu allem Überfluss sprang auch noch Rosie in der Küche herum. Ich betete inständig, dass sie nichts sagen würde.
»Mum, er ist da«, platzte es aus mir heraus, als ich in ihr Zimmer stürzte. Sie hockte vor ihrem Frisiertischchen und fuhr sich mit übertriebener Verzweiflung durchs Haar. Für ihren Teint war es deutlich zu dunkel, und stellenweise schimmerte es seltsam rötlich.
»Ich sehe aus wie eine Tunte.«
»Sei nicht albern«, sagte ich aufmunternd. »Nimm deinen neuen Lippenstift, der mildert es ein wenig ab.«
»Der ist lila«, sagte sie und schob ihn beiseite. »Damit würde ich dann aussehen, als stünde ich kurz vor einem Herzinfarkt.«
»So ein Blödsinn, Mum«, sagte ich und gab mir Mühe, nicht hektisch zu klingen. Sollte sie einen Rückzieher machen, würde ich zusammenbrechen. Nachdem ich einen solchen Wirbel veranstaltet hatte, um Elliot hierherzubekommen und mich in ein positives Licht zu rücken. »Sag du es ihr, Dad.«
»Hab ich schon.« Er steckte ein Taschentuch in die Brusttasche seiner Smokingjacke und runzelte die Stirn. »Sie will nicht auf mich hören.«
»Was machst du da eigentlich?« Ich stürzte mich auf Dad und nahm ihm, bevor er protestieren konnte, die Jacke ab. »Es soll doch leger wirken, ein Alltagsfoto, keine Szene wie bei Madame Tussaud.«
»Muss ich denn überhaupt mit drauf?«, brummelte er, während ich herumlief und meine Eltern in die passende Kleidung steckte und ihnen das Haar richtete und mich die ganze
Weitere Kostenlose Bücher