Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)
zündete überhaupt nicht. Shakespeare hat recht: Die ganze Welt ist eine Bühne. Aber einige von uns sind dafür geschaffen, wirklich aufzutreten, während die anderen dafür geschaffen sind, die Stücke zu schreiben. In dem Moment war mir klar, dass ich schreiben musste.«
Matt musterte mich skeptisch. »Worauf willst du hinaus?«
»Ich hab einfach …« Ich wich seinem Blick aus. »Es gibt schon einen guten Grund, warum man mir nie eine Rolle in den Theaterstücken in der Schule gegeben und mich im Chor immer in die hinterste Reihe gestellt hat – und es liegt nicht daran, dass ich größer bin. Es gibt einen Grund, warum ich im Fernsehen so schlecht rüberkomme. Ich weiß bereits, dass ich auf der Bühne nicht gut bin. Warum sollte ich dann auf eine Bühne klettern und es allen noch mal unter die Nase reiben? Was hätte ich davon? Vielleicht liegt der Sinn des Projekts nicht darin, dass ich all meine Ängste besiege, sondern auch meine Schwächen akzeptiere?«
Sein Gesichtsausdruck wurde ganz weich. »Schatz …«
»Es gibt sogar ein Zitat von Eleanor dazu.« Ich zog einen Zettel aus der Hosentasche und las vor: »›Es gehört vielleicht zu den schwierigsten Dingen überhaupt, ganz deutlich sagen zu können: Ich habe diese oder jene Beschränkung. In diesem Fall kann ich die Situation nicht bewältigen, weil mir die Erfahrung fehlt oder ich persönlich nicht dazu in der Lage bin.‹ Weißt du, ich glaube, Eleanor würde mir in diesem Fall zustimmen – verdammt, kannst du den Fernseher vielleicht noch ein bisschen lauter stellen?« Ich griff nach der Fernbedienung und drückte darauf herum, um den Aus-Knopf zu finden. Stattdessen erschien plötzlich Schnee auf dem Bildschirm, und Rauschen tönte aus den Lautsprechern. »Mann, schalt das doch bitte mal aus!«
Matt nahm mir sanft die Fernbedienung aus der Hand und drückte einen Knopf. Sofort wurde der Bildschirm dunkel, und Stille füllte das Zimmer. Mir kamen die Tränen, und ich sah ein Kaleidoskop aus lauter Matts vor meinen Augen herumwirbeln. »Ich will das nicht machen!«
»Ich weiß, dass es echt beängstigend ist.« Er zog mich zu sich, und ich fiel in seine Arme und ließ mich von ihm festhalten, während ich heulte. Ich weinte so heftig, dass ich schon fast hyperventilierte.
»Hab ich mich dieses Jahr denn noch nicht genug aus dem Fenster gelehnt?«, schluchzte ich. »Hab ich mich noch nicht genug blamiert und genug gefährliche Dinge gemacht? Kann ich mir nicht ein letztes Fitzelchen Würde bewahren? Ich bin so erschöpft, Matt. Ich hab es langsam satt, immer Angst zu haben.«
»Ich weiß. Aber du kannst jetzt schlecht einen Rückzieher machen, indem du dir Eleanors Zitate neu zurechtlegst. Natürlich kannst du einen Rückzieher machen, aber das ist dann deine Verantwortung. Allerdings bin ich persönlich der Meinung, dass du das nicht tun solltest. Denk an die ganzen furchterregenden Sachen, die du dieses Jahr schon gemacht hast. War auch nur eine davon so schlimm, wie du erwartet hattest?«
Ich schniefte und wischte mir das Gesicht ab. »Nein.«
»Im Gegenteil, sie haben dir sogar richtig gefallen, stimmt’s? Hast du mir nicht gesagt, dass du abgesehen vom Käfigtauchen alles noch mal machen würdest?«
»Doch«, räumte ich widerwillig ein und ergab mich in mein Schicksal.
Er lächelte mich an und streichelte mir über den Rücken. »Ich glaube an dich, Schatz. Du bist doch auch zum Skydiving gegangen, oder? Das kann doch wohl nicht beängstigender sein als Skydiving.«
»Doch«, murmelte ich an seiner Brust. »Beim Skydiving kann man nur einen Tod sterben.«
Comic Strip Live lag versteckt zwischen lauter Feinkostgeschäften und Bars in der Upper East Side. An den Wänden des Foyers hingen gerahmte Schwarz-Weiß-Porträts von Komikern, die hier aufgetreten waren, darunter Jerry Seinfeld, Eddie Murphy, Chris Rock und George Carlin.
Der Saal roch leicht nach Zigaretten, obwohl Rauchen in den Bars von New York schon seit Jahren verboten war. Auf der Bühne ein kreisrundes Rampenlicht. Ich war überrascht, wie klein sie war, vielleicht zwei Meter breit. Abgesehen von der Backsteinmauerattrappe im Hintergrund war der ganze Saal dunkelrot gestrichen. Damit man das Blut an den Wänden nicht so sieht , dachte ich.
Ich hatte Chris – der am College als Komiker im Improtheater mitgemacht hatte – gefragt, ob er noch einen letzten Tipp für mich hatte. »Wenn nicht so viele Leute kommen, fragst du das Publikum beim Betreten der Bühne:
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