Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)
irgendwie abstößt?«, fragte ich. »Da schwimmt so eine Kaulquappe in mein Körperinneres, nistet sich ein wie ein Parasit und wächst und wächst, bis das Ding eines Tages aus mir herausbricht? Tut mir leid, für mich klingt das nicht nach Wunder. Das klingt eher nach etwas, das man sich in Mexiko eingefangen hat.«
»Deswegen bin ich auch kategorisch für Kaiserschnitt. Ich verhandle nicht mit Terroristen.«
Ich lachte. »Willst du Babys allen Ernstes mit Terroristen vergleichen?«
»Jeder, der deinen Körper als Geisel nimmt, ihn zu sprengen droht und eine Spur der Verwüstung hinter sich herzieht, ist ein Terrorist. Und wie sieht das offizielle Vorgehen im Fall einer Geiselnahme aus? Man schickt ein Team rein, das den Terroristen rausholt.«
Ich klemmte mein Handy zwischen Wange und Schulter und angelte Zettel und Stift aus einer Schublade. »Warte mal, kannst du noch mal kurz wiederholen, was du da eben gesagt hast?«
In der U-Bahn setzte sich eines Tages ein Bodybuilder-Typ mit aggressiver Sonnenbankbräune neben mich. Er setzte sich extrem breitbeinig hin und verstieß gegen jede Regel persönlicher Distanzzonen, als seine Knie und seine fleischigen Oberschenkel meine Beine verdrängten. Das passierte gar nicht selten in öffentlichen Verkehrsmitteln, und normalerweise reagierte ich, indem ich die Beine peinlich berührt zusammenpresste und von dem Eindringling abrückte, um den Kontakt möglichst gering zu halten. Doch als ich diesmal ein Stück zur Seite rückte, spreizte Mr. Steroid die Beine nur noch mehr, als wollte er sagen: »Super! Hab ich ja gleich noch viel mehr Platz!«
Ich wandte mich zu ihm. »Entschuldigen Sie, aber diese ganze Situation hier …« Ich deutete auf seine Beine. »… damit komme ich überhaupt nicht klar.«
Mr. Steroid sah mich überrascht an. »Was für eine Situation?«
»Dass Sie hier die Beine spreizen, als würden Sie zu Hause auf Ihrer Couch sitzen und sich ein Spiel angucken. Und ich sitze hier wie im Damensattel auf meinem Platz. Ich meine – was soll das denn bitte?«
Er zuckte hilflos die breiten Schultern. »Das ist nur wegen meiner Eier. Meine Eier brauchen eben Platz!«
Ich zog eine Augenbraue hoch. »Schön, Schätzchen. Aber meine Eier brauchen auch Platz.«
Mr. Steroid lachte. »Sie sind frech, das gefällt mir.« Er zog die Knie ein, und ich konnte meine Beine wieder entspannen. Was haben die Männer bloß immer mit ihren Testikeln? , dachte ich. Die tun so, als wären ihre Eier Prominente und ihre Oberschenkel die Bodyguards, die die Menge beiseite schieben müssen. (»Aus dem Weg, Leute! Macht doch ein bisschen Platz hier!«) Die Hoden sind wie die Olsen-Zwillinge des Körpers – nur dass ihre Haare ein bisschen sauberer sind .
»Wann krieg ich denn jetzt mal deine Witze zu hören?«, fragte Matt ein paar Tage später. Wir hatten gerade in unserem französischen Lieblingsbistro zu Abend gegessen und gingen Händchen haltend zurück zu seiner Wohnung.
»Bei meinem Auftritt.« Ich hatte tatsächlich darüber nachgedacht, ob ich mein Material an Matt testen sollte, aber ich musste immer an den Artikel denken, den ich das Jahr zuvor geschrieben hatte. Ich wollte ihn an eine Zeitung schicken, hatte Matt aber gebeten, ihn vorher zu redigieren. Als ich ihm den Text gab, hatte er 1800 Wörter, als er ihn mir zurückgab, war das Ganze auf 100 Wörter zusammengestrichen. Er hatte so viel gestrichen, dass mir zum Schluss der rote Faden fehlte und ich keine Ahnung hatte, wie ich das alles wieder zusammenbringen sollte. Die erste Version einzuschicken, hatte ich aber auch keine Lust mehr.
Er ließ meine Hand los und blieb mitten auf dem Gehweg stehen. »Was? Ich krieg deine Witze nicht als Erster zu hören?« Seine Enttäuschung wirkte so echt, dass ich nachgab.
Also spulte ich ein auswendig gelerntes Stück ab: »Pornostar Jenna Jameson hat dieses Jahr Zwillinge gekriegt. Da fällt mir ein Artikel ein, den ich neulich in der In Touch gelesen habe. Da wurden Promis zu ihren Tattoos befragt, und Jenna gestand, dass sie sich um ein Haar ein Hello-Kitty-Tattoo aufs Handgelenk hätte machen lassen. Dann entschied sie sich aber dagegen, weil sie dachte: ›Wie soll ich das meinen Enkeln erklären?‹« Ich machte eine Kunstpause. »Ist das dein Ernst, Jenna? Wenn du dir vorstellst, wie du deinen Enkeln dieses oder jenes erklären sollst, machst du dir ausgerechnet Sorgen wegen eines Hello-Kitty-Tattoos?«
Er lachte nicht, sondern zuckte sogar ein bisschen
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