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Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Titel: Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Hancock
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diesem Outfit nämlich einen ganz schönen Unterschied.«
    Er überließ die Entscheidung mir und wandte sich seinem nächsten Kunden zu, einem Hispano-Amerikaner, Ende vierzig. Er zog das Laken zurück und sah den nackten Körper des Mannes. »Jesus, Maria und Josef!«, rief er.
    Ich fuhr herum und blickte auf den größten Penis, den ich je gesehen hatte.
    Antonio kam zu uns herüber und betrachtete ihn ungläubig blinzelnd. »War der verwandt mit einem Gartenschlauch?«, fragte er. »Und könnt ihr euch vorstellen, wie groß das Ding gewesen sein muss, wenn irgendetwas … seine Aufmerksamkeit erregt hat?«
    »Meine Aufmerksamkeit hat er jedenfalls erregt«, meinte Sean.
    »Siehst du, ich wusste doch, dass du schwul bist!«, krähte Antonio, und Sean verdrehte die Augen.
    »Woran ist er gestorben?«, erkundigte ich mich.
    »An Leukämie«, sagte Sean. »Ich hab ihn gestern Morgen im Hospiz abgeholt. Ortiz heißt er.«
    Ich hatte gestern zufällig gehört, wie Terry von dem Mann sprach. Es hatte Probleme beim Ausfüllen des Totenscheins gegeben, weil niemand wusste, wann Ortiz geboren worden war. Er hatte weder Familie noch Freunde, und die Krankenschwestern hatten Geld gesammelt, um ihm einen Begräbnisgottesdienst zu finanzieren. Wie traurig, dachte ich, wenn niemand weiß, wann du Geburtstag hast. Vor ein paar Jahren waren die Eltern meines Freundes Rob gestorben, und obwohl er schon über vierzig war, fühlte er sich wie eine Waise. Er meinte, es sei so seltsam, dass es jetzt niemanden auf der Welt mehr gab, der ihn schon sein Leben lang kannte.
    »Lucas, dein Mädchen sieht echt scheiße aus!«, rief Antonio plötzlich. »Was zum Teufel hast du bloß mit der gemacht?«
    Sean und ich ließen Ortiz liegen, um uns anzuschauen, was Antonio zu beanstanden hatte. Sean stieß einen leisen Pfiff aus.
    Das »Mädchen«, von dem Antonio sprach, war eine etwas über sechzig Jahre alte Afroamerikanerin, die um die 200 Kilo wog. Der übliche ypsilonförmige Schnitt einer Autopsie ging von ihren Schultern bis zum Unterleib. Die übergroßen Stiche, mit denen sie wieder zusammengenäht worden war, erinnerten an einen Baseball. Bemerkenswert war jedoch, wie aufgequollen sie war – nicht ihr Körper, sondern ihre Haut. Das Wasser drang ihr aus jeder Pore. Überall an ihrem Körper tauchten große, weiche Blasen auf.
    »Das, meine Liebe, sind Ödeme«, erklärte mir Sean. »Wenn man im Krankenhaus liegt und sie nichts mehr für einen tun können, dann pumpen sie einen mit Flüssigkeit voll, damit man es wenigstens erträglich hat. Und hinterher muss das ganze Wasser eben irgendwo hin.«
    »Wie bringt man das zum Stillstand?«, wollte ich wissen.
    »Normalerweise löst sich das Problem beim Einbalsamieren«, sagte Sean.
    »Bist du sicher, dass du sie einbalsamiert hast, Lucas?«, fragte Antonio. »Wenn ja, dann hast du ganz schön geschlampt.«
    »Sie ist obduziert worden!«, verteidigte sich Lucas. »Du weißt ganz genau, dass das Austrocknen dann viel schwieriger ist.«
    »Das ist keine Entschuldigung«, meinte Antonio indigniert.
    »Bei der hab ich sogar Purple Jesus benutzt.«
    »Was ist das denn?«, murmelte ich in Seans Richtung.
    »Je nach Zustand der Leiche benutzt man verschiedene Einbalsamierungsflüssigkeiten. Purple Jesus ist eine der stärksten. Sie wird bei besonders schwierigen Fällen benutzt, zum Beispiel um die gelbliche Haut eines Alkoholikers ein bisschen rosiger aussehen zu lassen.«
    »Und warum heißt das Zeug Purple Jesus?«
    »Wenn Purple Jesus nicht hilft, kann einen niemand mehr retten.«
    Ich fragte mich, wer Lucas vor Antonio retten sollte, denn der war mit seiner Strafpredigt noch nicht fertig. »Nächstes Mal ruf mich einfach, wenn du so einen schwierigen Fall hast. Ich hab nämlich keine Lust, hierherzukommen und die Fehler anderer Leute auszubügeln.« Er runzelte die Stirn und beugte sich über die Leiche. »Verdammt, ihre Zunge kommt ja auch raus! Hast du dir nicht mal die Mühe gemacht, ihr den Mund zuzunähen?«
    Lucas kam ins Stottern. »Ich … äh …«
    »Egal«, fiel Antonio ihm ins Wort. »Wir kleben ihn einfach zu und fertig.«
    Sean versuchte, das Thema zu wechseln. »Lucas, möchtest du uns mal zeigen, welche Kleider sie zur Beerdigung tragen soll?«
    Lucas kam mit einem senfgelben Kleid auf einem Bügel wieder. »Ihre Familie hat gesagt, das war ihr Lieblingskleid.«
    Antonio starrte das Teil fassungslos an. »Wann? 1965? Da passt die doch niemals rein. Das ist die Hälfte von

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