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Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Titel: Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Hancock
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Rückseite aufgeschnitten war. Er hatte vorsorglich einen dünnen Schleier über den Sarg gebreitet, um zu verhindern, dass die Leute sie anfassten. Terry und ein anderer Mitarbeiter standen rechts und links des Sarges, während die schluchzenden Familienmitglieder antraten, ihr die letzte Ehre zu erweisen.
    »Es ist schon vorgekommen, dass sich Leute in den Sarg geworfen haben«, flüsterte Lucas. Wir standen ganz hinten und verteilten Programme an verspätet eintreffende Trauergäste. »Jetzt stellen wir immer jemanden an den Sarg, der ihn festhält, damit er nicht umgeworfen wird und die Leiche auf den Boden fällt.«
    Eine halbe Stunde später verabschiedeten wir uns von Abe Lincoln in seiner ganzen Football-Pracht. Ich hatte gedacht, dass er wohl die am lässigsten gekleidete Person auf seiner Beerdigung sein würde, doch ich hatte mich getäuscht. Die Trauergäste hatten sich ihr Outfit wohl nur danach ausgesucht, worin ihre Tattoos am besten zur Geltung kamen. Eine von Abes Töchtern kam mit schulterfreiem Top und schwarzen Jeans-Hotpants, die gerade lang genug waren, um ihren Hintern zu bedecken. Ihr Bruder – das musste man ihm lassen – hatte immerhin seine beste Nike-Trainingshose rausgeholt. Die Trauerrede wurde von einem Kaplan namens Biff gehalten. Ich bewunderte gerade noch sein Hemd, als er sich umdrehte und die Rückseite mit dem riesigen aufgestickten Drachen zeigte.
    Nach dem Gottesdienst brachte Lucas Abe Lincoln ins Krematorium, und ich fuhr nach Hause. Unterwegs kam ich an einer Pferdefarm vorbei, die inmitten von sanft geschwungenen Hügeln lag. Als ich die Pferde sah, die beim Grasen so entzückend mit dem Schweif schlugen, fühlte ich mich seltsam zufrieden. Wenn ich einen Schweif gehabt hätte, hätte ich auch damit gewedelt. Obwohl es mir fast peinlich war, es mir einzugestehen, ich hatte tatsächlich einen schönen Tag gehabt. Mir wurde bewusst, wie sehr ich das Bestattungsinstitut und die Leute dort vermissen würde. Doch im Hintergrund lauerte auch ein Gefühl von Dringlichkeit. Morgen war mein letzter Tag, und ich war meiner Angst vor dem Tod noch nicht wirklich auf den Grund gegangen.
    Als ich ins Hotelzimmer zurückkam, zog ich die blickdichten Vorhänge zu. Ich nahm die Kissen vom Bett, setzte mich auf die speckige Tagesdecke und lehnte mich mit geradem Rücken ans Kopfende des Bettes. Dr. Bob hatte mir gesagt, dass man nicht nur meditieren konnte, um bewusst zu atmen und sich von seinen Gedanken zu lösen. Man konnte auch meditieren, um Einsichten in Dinge zu gewinnen, die man nicht verstand. Ich begann also, indem ich meine Absicht verkündete: » Ich möchte meine Angst vor dem Tod besser verstehen .«
    Dann schloss ich die Augen und ließ alle Gedanken zu, dir mir in den Sinn kamen. Überraschenderweise stellte sich kein Gedanke ein, sondern eine Geschichte aus einem Buch mit dem Titel Mut: Lebe wild und gefährlich , das ich zu Beginn meines Projekts gekauft hatte. Ich hatte es schon fast vergessen. Es enthielt eine indische Fabel von einem mächtigen Fürsten, der starb und in den Himmel kam. Der Legende nach wurde alle tausend Jahre, wenn ein sehr wichtiger Herrscher starb, diesem die Ehre zuteil, seinen Namen auf den höchsten Berg im Himmel einzuritzen, der ganz aus Gold war. Der Fürst wanderte bis zum Gipfel und war verblüfft, dass kein Platz mehr für seinen Namen war. Der ganze Berg war voll mit den Namen von Herrschern der Vergangenheit! Der Fürst war niedergeschmettert, aber er begriff endlich, wie gering sich seine irdische Bedeutung in der Ewigkeit ausnahm. Der himmlische Torwächter, der ihm amüsiert zugesehen hatte, schlug ihm vor, einen der anderen Namen auszulöschen, um seinen eigenen einritzen zu können.
    »Wozu denn?«, gab der Fürst verbittert zurück. »Eines Tages würde doch wieder einer kommen und ihn auslöschen.«
    Und genau das bedeutete es, dem Tod ins Auge zu sehen, dachte ich. Sich der eigenen Vergänglichkeit stellen. Die Angst vor dem Tod war die Angst vor dem Nichts-Sein. Die Angst, so leicht ausgelöscht zu werden, so leicht durch jemand anderen ersetzt zu werden. Irgendwann würde jeder sterben, der sich an einen erinnerte, und dann war man vergessen. Als hätte man überhaupt nie gelebt. Ein erschreckender Gedanke. Ich merkte, wie der Nebel in meinem Kopf sich ein wenig lichtete und eine Art von Verständnis hindurchschimmerte. Ich hatte nicht wirklich Angst vor Leichen oder der körperlichen Seite des Todes.
    »Akzeptieren Sie die

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