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Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Titel: Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Hancock
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ihrer jetzigen Kleidergröße.«
    »Und wenn wir das Ding hinten aufschneiden und rundherum unter sie stopfen?«, schlug Sean vor.
    »Darf man das denn?«, fragte ich.
    »Ach, das ist der Klassiker«, meinte Sean. »Das machen Leichenbestatter ständig.«
    »Na ja, aber jetzt können wir sie noch nicht anziehen und in den Sarg legen«, entschied Antonio. »Damit werden wir bis kurz vor der Beerdigung warten müssen. Sonst tropft sie wirklich alles voll.«
    Er wühlte in seiner Tasche und förderte ein Objekt aus durchsichtigem Plastik zutage, das aussah wie eine Kreuzung aus einem Overall und einem Leichensack. »Bis dahin versuchen wir einfach, sie noch so weit wie möglich auszutrocknen.«
    Ein paar Minuten später hatten die drei die Beine der Frau hochgehoben. Mit aufgerissenen Augen sah ich zu, wie sie sich abmühten, sie in den Anzug zu stopfen, der ihr sichtlich zu klein war.
    »Terry weiß, dass ich nach Kilo abrechne, oder?«, knurrte Antonio.
    »Er macht nur Witze«, versicherte mir Sean. »Wenn wir das so halten würden, würde jemand wie Lucas ja mit einem Viertel der Begräbniskosten davonkommen.«
    Antonio johlte vor Vergnügen und hatte seine gute Laune wiedergefunden.
    Plötzlich hörte man ein dumpfes Knacken irgendwo im Körper der Frau. »Oje«, piepste Lucas. »Ich glaub, ich hab ihr gerade die Kniescheibe gebrochen.«
    Jawohl, für mich kommt definitiv nur noch Kremierung in Frage , dachte ich.
    Sobald sie in dem Anzug steckte, bestreute Antonio ihren Körper mit einem speziellen blauen Puder, der die Flüssigkeit aufsaugen sollte. Dann machte er sich daran, Abe Lincoln auf eine Trage zu hieven. »Noelle, können Sie mir mal helfen, ihn in den Sarg zu legen.«
    »Und ich soll hier alles saubermachen?«, jammerte Lucas. »Heute hab ich aber echt die Niete gezogen.«
    »Warum, du ziehst im Leben doch immer die Nieten!«, witzelte Sean.
    Antonio kicherte und fügte hinzu: »Weißt du, Lucas, ich sag’s auch immer zu meiner Frau: ›Halt einfach den Mund und tu, wozu du auf der Welt bist.‹« Er warf mir einen Blick von der Seite zu. »Sind Sie verheiratet?«
    »Nein«, sagte ich. Die Frage traf mich gänzlich unvorbereitet.
    »Gut! Dann heiraten Sie auch nicht. Glauben Sie einem Leichenbestatter – das Leben ist einfach zu kurz.«
    Neben dem Raum, in dem die Leichen hergerichtet wurden, befand sich eine kleine Garage voller Särge. Hier wurden die Toten bis zum Begräbnis verwahrt. Wie das Konversationszimmer für Theaterschauspieler – nachdem man sie frisiert, geschminkt und angezogen hatte, konnten die Toten hier noch eine Weile bleiben, bis es Zeit für ihren Auftritt war.
    Während wir Abe in die Garage rollten, rief Lucas uns nach: »Nicht vergessen, den Sarg hat er bloß vorübergehend. Nach dem Gottesdienst morgen wird er kremiert.«
    »Kann man Särge denn auch mieten ?«, fragte ich ungläubig.
    »Oh ja. Obwohl, es ist eher eine Art Untervermietung.«
    Ich hatte Angst, dass ich den Körper fallen lassen könnte, wenn ich ihn hochhob. Ich machte mich auf das Gewicht eines erwachsenen Mannes gefasst, doch Abe ließ sich überraschend leicht hochheben. Er schien fast keine Körpermasse zu haben. Als läge der Großteil des Gewichts in der Seele. Ich fühlte einen Anflug von Stolz, während ich half, ihn in den Sarg zu legen. Ich fühlte mich geehrt, Teil eines so intimen Rituals zu sein.
    Behutsam legten wir Abe in seinen Sarg, der die Farbe eines frisch polierten Pennys hatte. Antonio arrangierte die Hände des Mannes auf seinem Bauch, legte die linke Hand über die rechte.
    »Hey, das habt ihr vergessen!« Lucas kam uns nachgerannt und legte Abe einen Cleveland-Browns-Football aus Plüsch in den Arm. Wir betrachteten das Bild eine Weile. Irgendetwas an diesem Bild war ganz bezaubernd.
    »Tja«, meinte ich schließlich, »jetzt weiß ich also auch, wie Abe Lincoln als Browns-Fan ausgesehen hätte.«
    Lucas schüttelte den Kopf. »Das ist nicht gerade das, was ich mir für mein Leben nach dem Tod anziehen würde.«
    »Ich auch nicht«, meinte Antonio. »Stell dir vor, am Ende ist Gott ein Fan der Pittsburgh Steelers.«
    Die Afroamerikanerin hatte sich für ihre Reise ins Jenseits einen extragroßen weißen Sarg mit kupferfarben abgesetzten Kanten ausgesucht. Der Cadillac unter den Särgen. Als ich am nächsten Tag zu ihrem Begräbnis eintraf, war ich sprachlos. Sie sah großartig aus. Antonio hatte wirklich tief in seine Trickkiste gegriffen. Niemand konnte ahnen, dass ihr Kleid auf der

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