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Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Titel: Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Hancock
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hängen.«
    Als ich ihm zusah, wie er ihr den Mund zunähte, fiel mir ein alter Witz von Dennis Miller ein: »Das muss doch die einfachste Arbeit der Welt sein – Chirurgie an Toten. Was könnte da schon schlimmstenfalls passieren? Wenn die Sache wirklich völlig in die Hose geht, spüren Sie am Ende vielleicht wieder einen Puls.« Es war surreal, zuzusehen wie einem Menschen, der keinen Schmerz mehr spüren konnte, eine Verletzung zugefügt wurde.
    Sean griff sich ein paar Flaschen Formalin aus dem Schrank und stellte sie neben die Einbalsamierungsmaschine.
    »Für den Verwesungsprozess ist Wärme und Feuchtigkeit vonnöten, deswegen muss man einen Körper, den man konservieren will, so weit wie möglich austrocknen. Und das tut man durch Einbalsamieren.«
    Das Formalin begann seinen Geruch zu verbreiten. Kein beißender Geruch wie im Chemieunterricht, eher ein leichter Hauch, als würde ich mit dem Fünfzigerjahre-Bakelittelefon meiner Großmutter telefonieren. Als Sean die Mischung in den großen, durchsichtigen Zylinder der Einbalsamierungsmaschine goss, erinnerte er mich an eine Hexe, die sich über ihren dampfenden Kupferkessel beugt.
    »Sieht aus wie Blut«, bemerkte ich beklommen.
    »Das ist absichtlich so eingefärbt. Damit die Haut wieder einen rosigen Schimmer bekommt.«
    Mit einer kleinen Klinge machte er einen zehn Zentimeter langen Einschnitt in der Nähe des Schlüsselbeins und führte ein Metallröhrchen in die Halsschlagader ein. Dann machte er auf der anderen Seite noch einen Einschnitt und schob ein weiteres Metallröhrchen in die Halsvene. Die Maschine klickte ein paar Mal, dann begann sie, das Formalin in den Körper zu pumpen. Dieses floss über die Halsschlagader durch den Körper und verdrängte dabei das Blut, das am Ende durch die Halsvene hinaus auf den Tisch fließen würde. An der Außenkante des Tisches verlief eine Rinne, die die Flüssigkeit auffangen und in ein Gefäß am Fußende leiten würde, und von dort in die Kanalisation.
    »Glücklicherweise halten die Mennoniten nichts von Autopsien«, sagte Sean. »Bei einem obduzierten Körper dauert das Einbalsamieren drei bis sechs Stunden, weil die ganzen Organe entfernt worden sind. Dann müssen wir rein, die ganzen Arterien einzeln suchen und Arme und Beine getrennt einbalsamieren.«
    Während die Flüssigkeit langsam durch die Adern der Frau floss, wurde ihr Teint immer rosiger, wie Sean es schon angekündigt hatte.
    »Ist das eine Kaiserschnittnarbe?«, fragte ich und deutete auf ihren Unterleib.
    Er runzelte die Stirn. »Das ist eigentlich ungewöhnlich. Amish und Mennoniten bekommen ihre Kinder fast immer zu Hause.«
    »Was da wohl schiefgegangen ist, dass sie doch ins Krankenhaus gegangen ist?«, sagte ich mehr zu mir als zu Sean. Die Narbe führte mir vor Augen, dass in diesem Körper einmal Leben gewesen war.
    »Haben Sie das Gefühl, dass Sie Ihren Frieden mit dem Tod gemacht haben?«, wollte ich wissen.
    »Das dachte ich immer. Als Leichenbestatter begreift man den Tod als natürlichen Bestandteil des Lebens. Doch als meine Mutter starb, war ich am Boden zerstört.« Sein Blick schien in weite Ferne zu gehen. »Sie saß immer am gleichen Platz am Esstisch, und direkt über ihrem Stuhl hing eine Glühbirne. Es war schon fast unheimlich, aber diese Birne musste nie ausgewechselt werden. Doch an dem Tag, als sie starb, brannte die Birne auch durch. Als ich das sah, bin ich fast zusammengebrochen.« Er schüttelte den Kopf und lächelte traurig. »Die Antwort auf Ihre Frage lautet also Ja und Nein.«
    Da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, sagte ich gar nichts. Ich hatte unglaubliche Schuldgefühle, weil ich so eine schmerzliche Erinnerung in ihm geweckt hatte. Eine ganze Weile schwiegen wir beide. Anderthalb Stunden und fünfzehn Liter Einbalsamierungsflüssigkeit später piekte Sean mit dem Finger in den Arm der Frau und nickte anerkennend.
    »Sie wird schön fest.« Er stellte die Maschine ab. Während er die Einschnitte am Hals wieder zunähte, berührte ich vorsichtig ihren Arm. Sie fühlte sich kalt und steif an, wie erwartet. Gar nicht so schlimm , dachte ich und atmete erleichtert aus.
    »Hey, was ist das denn?«, fragte ich.
    Sean hatte ein ominöses Werkzeug in der Hand, das an einen Schlauch angeschlossen war. Es war ein hohler Metallstab von ungefähr sechzig Zentimetern Länge, aber an einem Ende zugespitzt wie ein Speer. »Das ist ein Trokar. Jetzt wird nämlich gesaugt.«
    Bevor ich etwas sagen konnte,

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