Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)
Statt sich zu fürchten, greifen Sie gedanklich zum Kriegsbeil! Stellen Sie sich vor, Sie wären ein fliegendes Raubtier, das auf den Feind losgelassen wird. Grrrr! « Er knurrte tatsächlich.
»Ich komme ja kaum damit klar, als Passagier in einem Flugzeug mitzufliegen, das von einem geprüften Piloten gesteuert wird. Die kleinste Turbulenz, und ich raste aus.«
»Was machen Sie während der Turbulenzen?«
»Ich klammere mich an den Sitz und halte mich fest.« Allein bei dem Gedanken umklammerte ich die Sofalehne.
»Das vermittelt Ihnen in einer Situation, in der Sie alle Kontrolle dem Piloten überlassen müssen, die Illusion von Kontrolle. Wenn Sie das tun, fühlen Sie sich sicherer.«
»Ist das denn nicht gut?«
»Wenn das Flugzeug nicht abstürzt, glauben Sie gewissermaßen, dass es Sie gerettet hat, sich an den Sitz zu klammern. Und schon müssen Sie sich bei jeder Turbulenz an den Sitz klammern.«
»Na gut, dann klammere ich mich eben an den Sitz. Was ist daran so schlimm?«
»So etwas nennt sich Sicherheitsverhalten – Anspannen, den Atem anhalten, Beten, alles, was wir machen, um die Situation zu beeinflussen, wenn wir Angst haben – auch wenn wir sie gar nicht beeinflussen können. Aus solchen Verhaltensmustern ergeben sich bestenfalls abergläubische Handlungen. Schlimmstenfalls können Sie zum Drogenmissbrauch führen, wenn Sie nämlich glauben, dass Sie ein paar Drinks oder Tabletten brauchen, um eine Party zu überstehen. So etwas nimmt Ihnen die Kraft, sich so einer Situation wirklich erfolgreich zu stellen, denn es vermittelt Ihnen die Vorstellung, dass man die Situation ohne diese Hilfsmittel nicht bewältigen kann.«
»Aber ich kann die Situation ja wirklich nicht bewältigen, die da morgen auf mich zukommt! Ich habe keinen Schimmer, wie man ein Flugzeug fliegt.«
»Na ja, ich bin jetzt auch kein Flugexperte, aber wissen Sie, was für einen Rat ich jemandem geben würde, der zum ersten Mal ein Flugzeug steuern soll?«
»Welchen?«
»Wenn Sie in Turbulenzen geraten, klammern Sie sich nicht am Sitz fest.«
Hinterher sah ich mir zu Hause Top Gun an. Ich hatte die nackten Füße auf den Sofatisch gelegt und wippte im Rhythmus zu Kenny Loggins großartig-kitschigem Song »Highway to the Danger Zone« mit. Der Film war vor ein paar Wochen im Fernsehen gelaufen, und ich hatte ihn extra aufgenommen, um ihn heute anzusehen und mich in positive Stimmung zu bringen. Stattdessen sah ich zu, wie Goose bei seinem Versuch, sich mit dem Schleudersitz zu retten, ins Cockpitdach geschleudert wird und sich das Genick bricht. Ich spulte mehrfach zurück, sah zu, wie er sich in die Maschine setzte und litt wieder mit ihm mit.
Am nächsten Morgen fuhr mich Matt über den Long Island Expressway zu Air Combat, das in einem kleinen Flughafen anderthalb Stunden von uns untergebracht war. Wir waren spät dran, weil ich alles Mögliche getan hatte, um unsere Abfahrt zu verzögern, bis hin zur Umsetzung der zahnärztlichen Empfehlung, sich volle drei Minuten die Zähne zu putzen. Bis ich Matt begegnete, hatte ich nicht gewusst, was selbstbewusster Fahrstil bedeutet. Doch er lenkte das Auto mit derselben Lässigkeit durch den Verkehr, die er auch an den Tag legte, wenn er einen Raum durchquerte. Er wusste einfach, dass die Leute ihm ausweichen würden, und sie taten es auch jedes Mal. Meistens jedenfalls.
Wir waren gerade auf die linke Fahrspur gewechselt, als wir von jemandem ausgebremst wurden, der 15 km/h unter der Höchstgeschwindigkeit fuhr. »Schau dir diesen Blödmann an«, sagte Matt ärgerlich und machte mit der Hand eine Bewegung in der Luft, als könnte er dem Fahrer vor uns eine Kopfnuss verpassen. »Ich versuche hier, meine Süße rechtzeitig zu ihrer Flugstunde zu bringen, und er blockiert die Überholspur.«
Ich drehte mich zu ihm und schlug fröhlich vor: »Vielleicht sollten wir stattdessen einfach in den Central Park gehen! Es ist doch so ein schöner Tag – wollen wir nicht umdrehen?«
»Tut mir leid«, sagte er. »An solchen feigen Aktionen werde ich mich nicht beteiligen.«
Ich machte ein finsteres Gesicht und lehnte mich schmollend wieder in meinen Sitz. »Sagt der Mann mit der Höhenangst! Wenn ich so ein Feigling bin, warum tust du es dann nicht einfach?«
»Würde ich ja, wenn es nicht so teuer wäre. Denn ich habe keine Angst vorm Fliegen, sondern vorm Fallen.«
»Die meisten Ängste sind innerhalb von fünf Minuten überstanden. Ich muss dieses Flugzeug eine Stunde lang fliegen
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