Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)
und – hey, was gibt’s denn da zu lachen?«
»Tut mir leid, aber es ist einfach komisch. Bei den meisten deiner Ängste geht es darum, dass du deinen inneren Kontrollfreak loslassen musst. Jetzt machst du etwas, wobei du die Kontrolle komplett selbst übernimmst, aber das magst du auch wieder nicht.«
»Weißt du, ganz egal, wer es ist, ich würde niemals einem Piloten trauen, der zum allerersten Mal fliegt«, wandte ich ein. »Genauso wie ich niemals einem Hirnchirurgen trauen würde, der an mir seine erste Gehirn- OP durchführt.«
Mein Handy klingelte. Auf dem Display stand Mama . Sie hatte mich in letzter Zeit schier wahnsinnig gemacht, und je näher der große Tag kam, umso öfter hatte sie mich angerufen. Noch bevor sie ein Wort sagen konnte, erklärte ich: »Ganz im Ernst, Mama, ich kann jetzt nicht mit dir sprechen. Es kostet mich alle Mühe, nicht auszurasten, und wenn ich jetzt mit dir rede, dann werde ich ausrasten. Ich bin hier wirklich mit den Nerven am Ende, Mama, verstehst du das? Absolut am Ende!«
»Du kannst doch immer noch absagen«, wimmerte sie. Ich hörte die leisen Geräusche ihrer Acrylnägel auf dem Telefon. »Du musst das doch nicht tun.« Obwohl ich vor ein paar Minuten noch selbst versucht hatte, es mir auszureden, verfestigte sich mein Entschluss in dem Moment, als meine Mutter versuchte, es mir auszureden.
»Ich muss es tun! Ich habe es versprochen. Mir. Und Eleanor. Und dem Universum. Ich ruf dich an, wenn es vorbei ist.« Dann legte ich auf.
»Das war aber nicht sehr nett«, bemerkte Matt.
»Ich weiß«, stöhnte ich. Noch während ich es ausgesprochen hatte, hatte ich es bereut, doch ich hatte mich einfach nicht mehr bremsen können. »Aber ich komm jetzt nicht klar damit. Das ist so, als würde mich mein eigenes Unterbewusstsein anrufen.«
Meine Mutter gehört zu den Leuten, die sich ständig Sorgen machen. Nachdem ich meinen Führerschein gemacht hatte, sagte sie jedes Mal, wenn ich das Haus verließ: »Pass auf beim Autofahren. Da draußen sind so viele Wahnsinnige unterwegs.« Noch heute sah sie es nicht gern, wenn ich meine kleine Schwester irgendwo hinfuhr, weil sie befürchtete, wir könnten einen Unfall haben, und sie würde uns beide verlieren. Man kann nie vorsichtig genug sein , hörte ich oft, als ich heranwuchs. Doch, das konnte man schon. Wie Dr. Bob mir erklärt hatte, vermitteln übervorsichtige Eltern, die ihren Nachwuchs zu umsichtigem Verhalten erziehen wollen, ihren Kindern ständig das Gefühl, dass die Welt voller Gefahren ist, die einen garantiert umbringen, wenn man einen Moment lang nicht aufpasst. So lernen die Kinder, bei jedem neuen Erlebnis zuerst nach der Gefahr zu suchen. Meine Mutter hatte mir diese Warnungen so eingetrichtert, dass ich ihre Stimme immer noch in meinem Kopf hörte, als ich schon zu Hause ausgezogen war.
»Na ja, ich find’s schon ziemlich kindisch, wenn man mitten im Gespräch mit seiner Mutter auflegt.«
»Tja, sie behandelt mich eben auch wie ein Kind!«, sagte ich patzig. »Wie soll ich meine Ängste überwinden, wenn sie ständig anruft und sie wieder neu schürt?«
Aber seine Bemerkung hatte meine Schuldgefühle noch verstärkt. Fantastisch. Jetzt machte ich mir Gedanken darum, dass sie sich Gedanken um mich machte. Und sie machte sich jetzt wahrscheinlich Sorgen, dass sie mich so aufgeregt hatte. Das war ja das reinste Spiegelkabinett. Ich wollte sie nicht zurückstoßen, aber seitdem ich bewusst darauf achtete, wie oft ich mir irgendwelche unnötigen Sorgen machte, merkte ich erst, wie oft sie sich Sorgen machte. Und es fiel mir schwer, nicht giftig zu reagieren, wenn sie es tat. Überdies war sie extrem empfindlich bei Kritik, und ich hatte ihr schon so oft schnippische Antworten gegeben, dass sie mich kaum mehr anrief. Früher hatten wir immer lange am Telefon geplaudert, und am Ende gab sie den Hörer an meinen Vater weiter, der noch ein paar letzte Fragen stellte. Inzwischen war es eher mein Vater, der mich anrief.
Matt wechselte das Thema. »Bist du denn überhaupt nicht gespannt? Du wirst doch gleich etwas tun, woran du dich für den Rest deines Lebens erinnern wirst.«
»Oh, allerdings werde ich mich für den Rest meines Lebens daran erinnern«, sagte ich. »An alle drei Stunden.«
Matt gab es auf, mich aufzubauen, und schaltete das Radio ein. »Highway to the Danger Zone« plärrte es los.
» NEIIIIIN !«, schrie ich. Ich konnte es nicht glauben. Und zum ersten Mal an diesem Tag musste ich
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