Wer nichts weiß, muss alles glauben (German Edition)
viele andere Aromen werden heute von Bakterien hergestellt. In riesigen Tanks werden speziell modifizierte Bakterien mit einer Nährlösung gefüttert, und als Dank dafür scheiden sie als Stoffwechselprodukt Erdbeeraroma aus. Wie Sie sich das genau vorstellen wollen, können Sie sich aussuchen. Aber eines gleich vorweg: Bakterien können nicht schwitzen. Biochemisch ist das heute jedenfalls keine große Hexerei mehr. Woher bekommt man aber die Bakterien, die so was können? In der Natur gibt es sie nicht. Angeblich stammen sie aus Babywindeln. Das liebste Bakterium des Biochemikers von Welt ist Escherichia coli, ein Bakterium, das uns als Mitbewohner im Darm hilft, gesund zu bleiben. Außerhalb des Darms kann es zu unangenehmen Infektionen führen – oder eben Erdbeeraroma machen. Darmbakterien aus Babywindelkot sind dem Vernehmen nach unter anderem die Grundlage für solche Bakterienkulturen. Das heißt, wenn man wegen Durchfalls zum Arzt geht, und der rät, man solle zum Wiederaufbau der Darmflora Joghurt essen, dann wächst unter Umständen zusammen, was zusammengehört. Das klingt vielleicht nicht besonders appetitanregend, aber giftig oder ungesund ist so ein Erdbeerjoghurt deshalb natürlich nicht. Und in vielen Erdbeerjoghurts sind ohnedies echte Erdbeeren drin. Man muss sich eben durchkosten. Und wenn Sie unbedingt mit Joghurt etwas für Ihre Darmflora tun möchten, dann sollten Sie sowieso kein aromatisiertes Joghurt essen, sondern sogenanntes Naturjoghurt. Einfaches Joghurt ohne klingenden Namen reicht. Wenn Sie mehr Geld ausgeben wollen für probiotische Superheldenjoghurts oder Joghurtgetränke mit Zusatzskills gegen „unerwünschte Bakterien“ und Ähnliches, dann freuen sich die Hersteller dieser modischen Nahrungsmittel, weil ihre Gewinnspanne rasant steigt. Ihrer Darmflora bringt es keinen Zusatznutzen.
Was man allerdings ausdrücklich erwähnen muss, ist Folgendes: Wer gerne Joghurt verspeist, sollte auch bereit sein, Rindfleisch zu essen. Für Joghurt braucht man Milch, und für etwa die Hälfte der Kälber kommt eine Karriere als Milchkuh nicht in Frage, weil sie ohne Euter, aber mit Hoden auf die Welt kommen. Das Fleisch der vielen Stiere respektive Ochsen muss irgendwo hin. Und solange die Genetiker zwar aus Bakterien Erdbeeraroma herstellen können, aber noch nicht in der Lage sind, Keimzellen zu bauen, aus denen sich ausschließlich Milchkühe entwickeln, wird es immer genug Fleisch für Tafelspitz oder Kalbsgulasch geben. Und wenn die Tiere schon sterben, damit wir Menschen sie essen können, dann sollten wir sie wenigstens ordentlich zubereiten. Und da kann man gerade beim Tafelspitz oder beim Gulasch jede Menge Fehler machen.
Rezept für ein Gulasch
Man nehme:
2 kg Rindfleisch, nicht sehnig, würfelig geschnitten
2 Stück Ochsenschlepp, im Ganzen
1,8 kg Zwiebeln, geschnitten
3 EL süßes Paprikapulver
2 EL scharfes Paprikapulver 1 TL Cayennepfeffer
1 TL Salz
2 TL Tomatenmark
nach Belieben: etwas Majoran etwas Mehl
Öl
Die mit einem scharfen Messer geschnittenen Zwiebeln goldgelb anrösten, die Rindfleischwürfel bemehlen und dann zu den goldgelb gerösteten Zwiebeln dazugeben. Den Paprika untermengen und sofort mit Wasser ablö schen. Das Wasser sollte alles bedecken, auch den Och senschlepp, den man noch hinzugibt. Nun fügt man die restlichen Gewürze hinzu.
Das Gulasch rund zwei Stunden köcheln lassen und vom Herd nehmen. Das Gulasch wieder erwämen, da bei das Umrühren von unten nach oben nicht verges sen. Wenn das Gulasch wieder kocht, noch rund eine halbe Stunde lang köcheln lassen und dann wieder vom Topf nehmen. Diese Prozedur ein bis zwei Mal wieder holen.
Den Ochsenschlepp entfernen und mit Kartoffeln, Knödeln oder Spätzle servieren [27]
Werner Gruber hat auf dem Weg zum Fachmann für kulinarische Physik seinen Leib umfangreichen Studien unterzogen. Alle investierten Forschungsgelder wurden allerdings privat finanziert, deshalb hat er sein Labor auch immer mit, in Form eines mächtigen Rumpfes. Sein Motto als Experimentalphysiker lautet: „Jedes Mal kochen – ein Experiment. Jedes Mal Essen – eine Messung.“ Und jedes Mal aufs Klo gehen ist dann vermutlich publizieren. Dass der Begriff Paper darin seinen Ursprung findet, ist allerdings völlig haltlos. [28]
Werner Gruber hat viel experimentiert und die Messtätigkeit ist sein ständiger Begleiter. Wenn die Science Busters im Rabenhof im Anschluss an eine Premiere ein Essen serviert
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