Wer nichts weiß, muss alles glauben (German Edition)
bekommen, dann kennt Werner Gruber als Erster die Speisenfolge. Hunger ist der beste Koch, und Liebe geht durch den Magen, sagt der Volksmund. Ob Liebe wirklich durch den Magen geht, lässt sich naturwissenschaftlich nicht belegen, aber dass sie durch den Kopf geht, weiß man heute ganz gut. Und auch, durch welche Gehirnareale die Route führt. Neben der romantischen, leidenschaftlichen Zuneigung zum anderen, manchmal auch zum eigenen Geschlecht, kennen wir die Mutterliebe, die Geschwisterliebe und andere Formen emotionaler Bindung. Was unterscheidet diese Gefühle voneinander? Erstaunlicherweise nicht viel. Untersuchungen haben gezeigt, dass dieselben Areale im Gehirn aktiv sind, wenn man einen geliebten Partner sieht, oder eine Mutter ihr Kind oder ein Herrl seinen Hund. Liebe ist im Gehirn ein lokales Phänomen.
Abb. 17: Oben sehen wir die Bereiche des Gehirns, die aktiv sind, wenn wir an unsere Mutter denken, unten jene Areale, die aktiv sind, wenn wir verliebt sind. Die grauen Flächen sind die besonders aktiven Areale.
Wenn man hingegen Menschen sieht, die man zwar mag, aber nicht liebt, tut sich in den entsprechenden Arealen nichts.
Wenn Menschen sich verlieben, hat ihnen ihr Gehirn einiges zu bieten. In erster Linie sind Verliebte radikal drogensüchtig. Unsere besten Verbündeten im eigenen Körper sind dabei Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns) und Hypophyse (Hirnanhangdrüse). Der Hypothalamus ist der Drogenboss, die Hypohyse der Dealer. Beide verchecken Glücks-und Sexualhormone im großen Stil. Die Areale, in denen sich Liebe in unseren Köpfen abspielt, sind weitgehend dieselben, die auch auf Drogen wie Kokain reagieren. Das bedeutet, Liebe macht glücklich, weil unser Belohnungszentrum aktiviert wird. Das führt zu einer Art Rausch, wir fühlen uns wie benebelt. Sowohl bei Kokain wie auch bei körpereigenen Glückshormonen wird dadurch derselbe Mechanismus verstärkt: Es wird Verhalten belohnt, das wir als angenehm empfinden, das wir also wiederholen wollen.
Dass die andauernde Betäubung mit exogenen, also körperfremden Drogen oft fatale Konsequenzen hat, ist hinlänglich bekannt. Aber welche Funktion hat der Rausch mit körpereigenen Glückshormonen beim Menschen? Er dient in erster Linie dazu, dass wir, wenn wir verliebt sind, den anderen nicht so sehen, wie er ist. Er sorgt für Kontrollverlust.
Glücksgefühle werden verstärkt, während gleichzeitig Hirnregionen, die für negative Gefühle zuständig sind, deaktiviert werden. Blockiert werden insbesondere Areale, deren Aufgabe die kritische Auseinandersetzung mit dem Gegenüber wäre. Dadurch sehen wir den geliebten Menschen tatsächlich geschönt, wie durch eine rosarote Brille. Und das ist zuerst einmal gut, weil erst dadurch ist der Mensch bereit, seine natürliche Distanz anderen gegenüber aufzugeben und Beziehungen einzugehen.
Ob man sich in jemanden verliebt oder nicht, hängt nicht zuletzt stark davon ab, ob man ihn riechen kann. Im wahrsten Sinne des Wortes. Zuständig dafür sind unter anderem die Pheromone. Wenn man allerdings unter der Achsel stark riecht, hat das nichts mit Pheromonen zu tun, sondern mit Schweiß, der gerade von zur Hautflora gehörenden Bakterien zu Ameisen-oder Buttersäure verarbeitet wird. Dann sollte man sich weniger Hoffnungen auf eine Eroberung als vielmehr auf den Weg in die Dusche machen. Riechen kann man Pheromone nämlich nicht, dafür wirken sie nachhaltig. Der Duft steigt in die Nase, über den Riechkolben und die Riechbahn ins sogenannte limbische System. Das limbische System ist eine Funktionseinheit des Gehirns, die der Verarbeitung von Emotionen und der Entstehung von Triebverhalten dient. Und wenn die Pheromone dort ankommen, dann sagen sie: „Wir wären jetzt da, wenn es geht, bitte einmal erregt werden.“ Allerdings nur, wenn mit dem Duft für die Person erregende Emotionen verknüpft sind.
Oxytocin
Beim Streicheln oder auch nur beim Hautkontakt steigt die Durchblutung. Das ist die Folge der erhöhten Wärmeproduktion. Gleichzeitig werden das Immunsystem und die Verdauung angeregt. Für das Streicheln muss chemische Energie in mechanische Energie umgewandelt werden. Je mehr wir streicheln, umso stärker wird der Stoffwechsel angeregt. Zusätzlich steigt bei Hautkontakt die Ausschüttung des Neuropeptids Oxytocin, eine Art Wohlfühlhormon mit opiumartiger Wirkung. Es wird im Gehirn im Hypothalamus produziert, in der Hypophyse zwischengelagert und bei Bedarf
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