Wer nichts weiß, muss alles glauben (German Edition)
noch für uns tun kann, ist sich anschauen lassen, wenn er gerade gut beleuchtet ist. Es gibt, abgesehen vom Mondlicht, keinen wissenschaftlich nachweisbaren Einfluss auf den Körper des Menschen oder anderer Lebewesen durch den Mond. Warum? Der Gezeiteneffekt auf den Menschen ist zehn Millionen Mal kleiner als der des Mondes auf die Erde und kann wegen seiner Winzigkeit keine Wirkung ausüben. Der Verlust einer einzigen Hautschuppe übt mehr Kraft auf den Menschen aus als die Gezeitenkraft, die vom Mond auf die Erde ausgeübt wird. Das können Sie also vergessen. Es kommen auch nicht mehr Babys auf die Welt, es passieren auch nicht mehr Unfälle bei Vollmond, es schlafen vielleicht ein paar lichtempfindliche Menschen schlechter, falls sie schlechte Jalousien im Schlafzimmer haben.
„Und was ist mit der Übereinstimmung des weiblichen Menstruationszyklus mit dem Zyklus des Mondes?“, höre ich da die Ersten raunen, „beides 28 Tage, das passt aber schon super zusammen.“ Ich muss Sie leider enttäuschen. Mit durchschnittlich etwa 28 Tagen entspricht dieser Zyklus nicht genau der Zeit zwischen zwei Neumonden, der Mondzyklus dauert 29,5 Tage. Als normal werden heute außerdem Zyklen bezeichnet, die 23 bis 35 Tage dauern. Der Zyklus von Frauen in den USA und in Japan differiert um zwei Tage, wenn Sie es genau wissen wollen, der Mond ist aber da wie dort derselbe. Nein, der Mond berücksichtigt die nationalstaatlichen Unterschiede nicht. Andere Primaten, die sehr naturnah leben, weisen zum Teil noch größere Abweichungen zwischen dem Menstruationszyklus der Weibchen und dem Mondzyklus auf.
Und der Mondzyklus war früher noch länger. Und und und. Das heißt aber nicht, dass es gar keinen Einfluss des Mondes auf den Menschen gibt. Im Gegenteil.
Wer mit der Leichtgläubigkeit der Menschen gute Geschäfte macht, der weiß den Einfluss des Mondes natürlich zu schätzen. Menschen, die Vollmondseminare anbieten, Mondkalender mit speziellem Mondwissen und dergleichen Unfug mehr, spüren den Einfluss des Mondes zum Teil ganz beträchtlich, und zwar auf ihrem Konto. Können Sie sich circa 10 Millionen Euro vorstellen? Können Sie natürlich nicht, das war nur eine rhetorische Frage. Das ist eine so große Zahl, die kann man sich weder circa noch genau vorstellen.
Circa 10 Millionen Euro hat ein Mondexpertenehepaar allein mit seinen Mondkalendern verdient. Für einen Physiknobelpreis bekommt man nur eine Million. Wenn man nur nominiert wird, bekommt man gar nichts. Selber schuld, wenn man Physik studiert und nicht Mondholz.
Unter Mondholz versteht man Holz von Bäumen, die unter Berücksichtigung des forstwirtschaftlichen Mondkalenders gefällt wurden. Mondholz soll magische Eigenschaften besitzen. Behauptet wird unter anderem, dass bei Voll-oder Neumond geschlagenes Holz besonders wenig Wasser enthält. Die Bäume müssen dazu im Winter, genauer gesagt um Weihnachten herum, bei abnehmendem Mond kurz vor Neumond geschlagen werden. Auch der Anfang des März wird häufig als günstiger Zeitpunkt benannt, weil Holz, das am 1. März nach Sonnenuntergang geschlagen wurde, angeblich nicht brennt. Leider stimmt das nicht, und man kann daher Holz vom 1. März nicht für einen Aprilscherz im Krematorium gebrauchen. Auch die anderen Eigenschaften, die dem unter besonderen Umständen geschlägerten Holz nachgesagt werden, halten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. In unzähligen Untersuchungen [42] konnte bezüglich der Holzfeuchte, Brennbarkeit, Resistenz gegenüber Pilzen und Würmern, Schwindung und Härte kein Unterschied festgestellt werden. Der einzige Unterschied besteht im Preis. Mondholz ist bis zu 30 Prozent teurer. Vielleicht bewirkt diese Überteuerung der Nachttarif der Holzarbeiter. Vielleicht ist es aber auch nur Aberglaubenszuschlag.
Noch teurer als Mondholz ist übrigens Mondwasser. Viel teurer sogar. Unter Mondwasser versteht man aber nicht Wasser, das zu einem besonderen Zeitpunkt, unter heftigem Sehnen und Wünschen nach Besonderheit des H2O aus einer versteckten Quelle von einem Gebete murmelnden Wasserschamanen gezapft wurde, sondern Wasser, das auf dem Erdtrabanten Mond entdeckt wurde. Und das war wirklich eine Sensation, denn jahrzehntelang galt der Mond geologisch als tot. Aber seit den Apollo-Missionen weiß man, dass auf dem Mond regelmäßig Erdbeben stattfinden, und seit Oktober 2009 steht endgültig fest, dass es auf dem Mond Wasser gibt. Als Wassereis in Kratern. Woher das Wasser
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